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6. Aufgabe im Fach Zamonische Biologie: Wie vermehrt
sich die Zamonische Finsterbergmade?
Lösung
von Tratschwelle Vigala Veia
Wie vermehrt sich die Zamonische
Finsterbergmade?
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In Zamonien knüpfen sich viele Legenden um die rätselhafte Herkunft
der Finsterbergmaden - sie seien extraterrestrischen Ursprungs oder
entstammten gar dem Kot von Riesenzyklopen oder aber den Tränen von
Gewittergöttern. Selbst in Professor Nachtigallers Lexikon wird die Große
Made, eine Madenkönigin zitiert, die Eier aus Stahl legt, aber auch diese
Große Made ist ein Mythos, müßte doch auch sie hin und wieder
befruchtet werden... Die (jungfräuliche) Madenkönigin gehört daher zur
Hypothese der außerirdischen Herkunft der Finsterbergmade.
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Könnten denn Finsterbergmaden nicht miteinander
in Kontakt treten? Sowohl Nachtigaller als auch Mythenmetz
(letzterer in seinem bekannten Rarlebewesengedicht) beschreiben sie als außerordentlich
gefährlich - eine legendenhafte Zuschreibung, die Käpt'n Blaubär in
seinen Memoiren widerlegt hat: Finsterbergmaden sind im Grunde friedlich
und sogar zu einfacher Kommunikation mit „Ö"- und „Ä"-Lauten
fähig.
Meine Behauptung: die Kopulation hat
schlicht noch niemand beobachtet, und daher wird behauptet, es gäbe sie
gar nicht. Um diese These zu beweisen, habe ich mit meinem Wellomobil gefährliche
Stollenfahrten durch die Finsterberge unternommen.
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Während dieser Forschungsreise hatte ich das wohl einzigartige
Erlebnis, mich mit einer sehr alten Finsterbergmade unterhalten zu können.
Sie war so alt, daß sie sich in eine Stollennische zurückgezogen hatte,
um in Ruhe zu rosten und damit langsam wieder zu Erz zu werden, die
typische, so gar nicht dramatische Art von Finsterbergmaden, ihr Leben zu
beenden. (Jüngere Finsterbergmaden weichen Tratschwellen stets aus, da
unser Salzgehalt sie vorzeitig rosten lassen würde, denn Kochsalz greift
auch Edelstahl an.) Die Kommunikation war schwierig, aber nicht unmöglich,
denn diese Finsterbergmade beherrschte erstaunlicherweise das
Morsealphabet, wobei Ä die kurzen und Ö die langen Zeichen darstellten.
Diese alte Made erzählte mir knirschend, daß sie selbst in ihrem
Leben drei Mal mit anderen Maden in geschlechtlichen Kontakt gekommen war
und einmal sogar geboren hatte. Und das geht nämlich
so:
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Nach Finsterberggewittern, wenn alle anderen Lebewesen ausgeschwemmt
wurden, sind die Madenaufgeladen durch die außergewöhnlich hohe
elektrische Energie, sie sind geradezu magnetisiert. Sie wandern seufzend
und stöhnend durch die Gewölbe und verspüren etwas Außergewöhnliches:
Gefühle! Sowas wie - Sehnsucht? Trifft nun
eine Finsterbergmade auf eine andere (was sehr selten vorkommt, da
Finsterbergmaden sogenannte Rarlebewesen sind), versuchen sie sich, mit
ihren Hinterkörpern einander anzunähern. Das funktioniert natürlich nur
dann, wenn sie entgegengesetzt magnetisch gepolt sind, also in 50 % der Fälle.
Gelingt die Annäherung, so knallen die Maden geradezu aneinander, die
Stahlfeilen klappen dabei hoch, was nicht selten zu problematischen
Verkeilungen im Stollengewölbe führt. So verharren die Maden stunden-,
manchmal tagelang aneinander. Während dieser Koppelung findet kein
eigentlicher Materialaustausch statt, nur eine Art Aktivierung (ähnlich
der Fortpflanzung bei Schnecken, die sich gegenseitig mit Kalkpfeilen zur
Eierproduktion stimulieren). Die Panzerringe der Maden ziehen sich
zusammen und dehen sich aus; ihre Stahlklauen öffnen und schließen sich
zuweilen, und aus ihren Mäulern dringen vor Anstrengung schweflige Dämpfe.
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Nach einiger Zeit, wenn die Polarisierung zurückgegangen ist, können
sich die Maden wieder voneinander trennen; sie schütteln sich kurz und
rennen in entgegengesetzter Richtung weg, um endlich wieder Erz schmelzen
und sich nach dieser Anstrengung stärken zu können. Steht nur eine der
beiden Maden kurz vor ihrem Einschlaf (ihrer 14jährigen Aktivitätspause),
dann und nur dann wird in ihrem Hinterleib in dieser Zeit eine vollständige
kleine Finsterbergmade gebildet. Nach dem Erwachen wird die hochschwangere
Made erst einmal mehrere Erz-Mahlzeiten zu sich nehmen (denn ihre Chrom-,
Nickel- und Eisenvorräte wurden während des langen Schlafes und für die
Bildung der kleinen Made vollständig verbraucht). Dann
beginnt der eigentliche dramatische Teil: sie sucht oder brennt
sich eine zum Ende hin abfallende Sackgasse im Stollenlabyrinth und
klammert sich mit ihren Stahlklauen an zackige Vorsprünge der Gewölbedecke.
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Ihren stahlfeilenartigen Schwanz läßt sie schwingen und senkt sich
dabei langsam ab, so lange bis die Feile im Stollengrund verkeilt ist und
nahezu im rechten Winkel nach unten absteht. Sie schiebt sich nun
ruckartig rückwärts und knickt schließlich den letzten Panzerring vom
Rest des Hinterleibes ab - ein schauriges Klack-Geräusch! Aus dieser Öffnung
preßt sie die kleine Made, die noch von einem schmierölartigen
Schutzfilm umgeben ist. Laut klingend fällt die Kleine zu Boden und rollt
nach unten ins Ende des Stollen-Blinddarms.
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Mit einiger Anstrengung befreit sich die Muttermade aus der Verkeilung,
indem sie sich wieder nach oben und vorne zieht, der Feilenschwanz klappt
zurück, und endlich kann auch sie sich fallenlassen. Vor ihrem Baggermaul
liegt die Kleine, auf die sie nun einen ersten und letzten Blick wirft.
Mit einem wohldosierten Feueratemstoß verbrennt sie den hinderlichen
Schmierölfilm ihres Neugeborenen.
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Ab diesem Moment führen beide voneinander
unabhängige Leben - neugeborene Finsterbergmaden wissen sofort, was gut für
sie ist...
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