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66. Schreiben Sie einen historischen Bericht über die große Bauminger Zwillingstermiten-Plage und ihre Abwendung in letzter Sekunde!

Zamonische Geschichte / März 2002 /

Die Zamonische Zwillingstermite (termis anceps) erfreut sich mäßiger Verbreitung in den Gefilden den Großen Waldes in Nordzamonien und hat es in der Regel schwer, ihr individuelles, aber leicht, das Fortbestehen ihrer Art zu sichern. Beides hat den Grund, dass die Zwillingstermite - wie der Name schon vermuten lässt - immer in biologischen Einheiten zu je einem Männchen und einem Weibchen auftritt (sie schlüpft schon so aus dem Ei) und sich daher zwar praktisch ununterbrochen fortpflanzen kann, jedoch nie sehr alt wird, da sie an jedem Ende einen Kopf hat, was sich bei der Fortbewegung sehr verwirrend auswirkt. Jede Hälfte hat eben ihren eigenen Kopf - das macht die Nahrungssuche so gut wie unmöglich, und so kann man die Zamonische Zwillingstermite oft dabei beobachten, wie sie, den kleinen Körper zum Zerreißen gespannt und verzweifelnd mit allen zehn Beinen sich abmühend, auf der Stelle tritt, bis sie dann vor Hunger und Erschöpfung stirbt, von Laub bedeckt wird und zu Erde zerfällt, einige hundert Eier zurückgelassen habend, die in Kürze das Schicksal ihrer beiden Eltern-Teile teilen werden. Traurig, das.

Traurig, dachte sich einst auch Zeno von Zwieback, ein Zwiezwerg, Naturforscher, Nuklearastronom und Tierfreund. Er lud eine Anzahl von Zwillingstermiten in sein Labor zu Gast, wo er mit einem ausgeklügelten System von Licht- und Dunkelheitsperioden die Schlafrhythmen der jeweiligen Hälften dahingehend manipulierte, dass immer die eine Hälfte schlief, während die andere den ganzen Körper für sich hatte und sich ungestört dem Fressen widmen konnte - und nach Ablauf von 12 Stunden dann umgekehrt. Als sich dieser Trick in Zwillingstermitenkreisen erst einmal herumgesprochen hatte, und das dauerte nicht lange, da gab es kein Halten mehr. Die Produktion von Nachkommen ging zwar etwas zurück, doch ging von der nie gekannten Freiheit der Zwillingstermitenhälften ein ungeheures zerstörerisches Potenzial aus: 12 Stunden lang Holz fressen, 12 Stunden lang Kräfte tanken, und beides im Schichtsystem pausenlos! Das gefiel schon den normalen Bäumen im großen Wald nicht, wie etwa den Buchen, Eichen und Tannen, die mit Kränkeln, Blattabwurf und Tod reagierten, aber den ausgefalleneren zamonischen Gewächsen, wie den Ornischen Orken, Blutbuchen oder Knolmen, gefiel es schon gar nicht. Ihr Immunsystem war zwar ausgeprägt, aber gar nicht mehr an Zwillingstermitenbefall gewohnt. So kam es zu allergischen Panikreaktionen der weißen Harzkörperchen, die darin mündeten, dass ganze Bäume von einer Sekunde auf die andere in Flammen aufgingen, dass aus ihren Wurzeln Rattenschwänze wuchsen, dass die Nadeln der Nadelbäume unkontrolliert durch die Luft sausten, dass Baumstämme sich auf übelriechende und zähe Weise verflüssigten oder Baumkronen sich ängstlich zusammenfalteten wie Mimosenblüten. Sämtliche zur Verfügung stehenden kompetenten Förster, die die Katastrophe vielleicht hätten aufhalten können, verloren binnen weniger Tage den Verstand und fielen somit aus. Die Situation spitzte sich dramatisch zu, als die Zwillingstermiten sich in Richtung des verbotenen Teils des Großen Waldes zu bewegen begannen. Wie die Immunabwehr der dortigen Gewächse auf die Eindringlinge reagiert hätte, wusste niemand zu sagen, aber es war klar, dass die Folgen für den Wald und möglicherweise ganz Zamonien nicht unbedingt angenehm gewesen wären, wo doch schon harmlose Blutbuchen so ein Theater darum machten, von innen ausgehöhlt zu werden. Zudem munkelte man, eine große Eiche auf der Grenze der beiden Teile des Großen Waldes sei der zentrale Stützbaum des gesamten Forstes und wenn sie fiele, würde sofort das gesamte Gehölz in sich zusammenbrechen. Das allerdings war das kleinere Problem; über kurz oder lang hätten die Termiten dies sowieso geschafft.

In der Eile geriet die Zamonische Forstverwaltung in Panik und karrte nach dem Ausscheiden der Förster andere Experten herbei, um deren Glück und Können zu versuchen: Insektologen in Rudeln, Chemiker, Psychologen, Schamanen und Fernsehköche (Zeno von Zwieback selbst war übrigens nicht dabei, der hatte sich bereits klammheimlich aus dem Staub gemacht, ohne sein Geheimnis irgendjemandem anvertraut zu haben). Der Bürgermeister von Atlantis versprach seine Tochter und ein Fünftel seines Reiches demjenigen zur Frau (zu letzterer nur die Tochter, nicht das Fünftel), der die Plage aufhalten könne, bevor alles zu spät sei. Edle Recken und stolze Prinzen aller Herren Länder reisten von weit her nach Zamonien, die Termiten im fairen Schwertkampf zu besiegen. Die Methode erwies sich als schwerlich praktikabel, und so zogen die Prinzen murrend wieder ab und trauerten den alten Zeiten nach, in denen man es noch mit anständigen Drachen und ähnlichen Ungeheuern zu tun gehabt hatte.

So blieb nur noch ein Mann, der helfen konnte: Ein gewisser Herr Reiner Zufall. Er wollte es, dass just zu dieser Zeit der junge, aufstrebende Zwiezwergdichter Zweihans - übrigens ein entfernter Schwipsschwager Zenos von Zwieback - auf Sinnsuche durch das Gehölz des Großen Waldes striff und emsig dabei war, sein später berühmtestes Werk zu verfassen: Den Monolog des Zwiezwergs, ein Werk von solcher Brillanz, dass selbst ein menschlicher Dichter mit Namen Goethe in späteren Jahrhunderten nicht zu stolz war, die letzten drei Strophen für sein Gedicht "Gingo biloba" nur leicht abgewandelt zu kopieren. Aber auch die praktischen Auswirkungen dieser epochalen Verse waren damals überwältigend: Die Zwillingstermiten, selbst Angehörige der Gattung der Doppelwesen, waren von den Sorgen und Nöten eines Zwiezwerges so ergriffen, dass sie, die Verse vernehmend, augenblicklich in ihrem zerstörerischen Tun innehielten, aus den gepeinigten Bäumen hervorkrochen und sich in einem einzigen Zug kleiner, schwarz glänzender, vielgliedriger Körper hinter Zweihans formierten und ihm folgten wie die legendären Ratten von Hameln dem gleichnamigen Fänger. Die gerade schlafenden Hälften der Termiten erwachten, doch diesmal gab es keine Meinungsverschiedenheiten über die einzuschlagende Richtung - alles marschierte und lauschte ebenso einträchtig wie andächtig. So andächtig, dass all die Zwillingstermiten überhaupt nicht merkten, wie sich auf einer Lichtung von hinten klammheimlich ein Kammerjäger anschlich und sie mit einem gut gezielten chemischen Keulenschlag zur Strecke brachte.

Diese Heldentat und die damit verbundene Publicity war Zwiehans' Dichterkarriere ebenso wenig abträglich wie die Gesellschaft der hübschen, klugen Bürgermeistertochter, die atlantische Stadtfünftelherrschaft und der Ehrentitel König Snalitat von Tatilans. Natürlich spielte auch eine gewisse Begabung in sein Wirken als ein Eckpfeiler der heutigen zamonischen Literatur hinein, allerdings fällt beim Lesen eines jeden seiner Dramen, Gedichte, Romane, wissenschaftlichen Abhandlungen und anderen Ergüsse, die er in schwer schätzbarer, fünfstelliger Anzahl hinterlassen hat, eine gewisse Zwiespältigkeit auf - als sei das jeweilige Erguss nicht ganz aus einem Guss. Sondern aus zwei Güssen. Wie dem auch sei, erwähnenswert wäre noch, dass König Snalitat von Tatilans alias Zweihans im Alter von 66 Doppeljahren von einem Trupp schlecht organisierter Revolutionäre unter der Führung eines Kammerjägers, der sich übergangen fühlte, gestürzt und gemeuchelt wurde - auf dem Weg zu einem Ort, wo selbst der König zu zweit hingeht.

 

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