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62. Welches Geheimnis verbirgt sich im Kern des Scharach-il-Allah?

Zamonistik / Februar 2002 /

Der Scharach-il-Allah an sich geht ja auf ein etwas seltsames Bestattungsritual zurück, das vor fünf- bis sechshundert Jahren in Bolloggkreisen mal Mode war. Hatte ein Bollogg das Zeitliche gesegnet, wurde er von seinen Angehörigen in einen gleichsam quaderförmigen wie gigantischen Holzsarg gelegt und mit einem kräftigen Fußtritt in die Wüste geschickt - oft mit einer solchen Wucht, dass manche der Särge noch heute durch die Süße Wüste tingeln, ab und zu gegen umgebende Bergketten knallen (Hauptgrund für Erdbeben und Lawinen in Zamonien) und dabei so viel Sand aufwirbeln, dass sie von außen wie Sandstürme in Ziegelform erscheinen. Das ist aber nicht das eigentliche Geheimnis des Scharach-il-Allah. In einem solchen Sarg verbirgt sich mehr als Skelettteile von astronomischen Ausmaßen, für die freilich jeder Archäologe ohne zu zögern seinen rechten Arm geben würde. Der muss es aber gar nicht sein. Wenn der Knochen nicht zum Archäologen kommt, muss der Archäologe eben zum Knochen kommen, nicht wahr?

Man marschiert also schnurstracks in die Süße Wüste, geht dem fernen Donnern am Horizont nach und stellt sich dem Schmirgel Gottes beherzt in den Weg, beginnt, als er noch bequeme fünfzig Meter entfernt ist, mit den Überlegungen, wie man die Mission möglichst untödlich zu Ende bringen kann und kommt zu keinem befriedigenden Ergebnis. Tja, da ist man in seinem wissenschaftlichen Übereifer wohl etwas zu schnell vorgeprescht - macht aber nix, es ist ja ein stilvoller Tod zu erwarten: Niedergewalzt von einem der größten Särge aller Zeiten, bestattet in Zuckerstaub. Außerdem gibt es ja die lieben Kollegen Philophysiker, und die sagen: "Unter bestimmten atmosphärischen, astrologischen und dimensionslochkonstellatorischen Bedingungen kann es bei Objekten hoher Masse und hoher Geschwindigkeit zum so genannten van-der-Hecke-Effekt kommen."

Was nichts anderes bedeutet, als dass man von der mächtigen Sargwand nicht kaputtgewalzt, sondern getunnelt wird: Die Moleküle beider Seiten gleiten bequem aneinander vorbei, und man findet sich flabbergastiert, aber durchaus nicht unangenehm überrascht nicht im Jenseits, sondern nur jenseits der Sargwand wieder: Im Bollogg-Sarg. Immer noch besser, als wirklich tot zu sein, befindet man, und schaut sich näher um. Das Innere des Scharach-il-Allah scheint wie eine andere Welt. Die vielen Kubikkilometer Innenraum, unbarmherzig begrenzt durch massive Wände (der van-der-Hecke-Effekt wirkt praktischerweise nur in eine Richtung), sind von einem bläulichen, tageslichtartigen Schimmer erhellt, woher der auch immer kommen mag. Die Knochen eines Riesenbolloggs reichen von West nach Ost und von Nord nach Süd, vom Himmel zur Erde und von früh bis spät - sie machen praktisch die ganze Landschaft aus. Doch es gibt auch Bäume, andere Pflanzen, Kamedare, ein paar Gimpel und viele, viele Archäologen, die auf der Pirsch nach Bolloggknochen Opfer des Gottesschmirgels wurden. Man lebt in kleinen Blockhütten und von den ein oder anderen Gaben, die der Sandsturm auf seinen donnernden Reisen durch die Süße Wüste aufliest. Von außen scheint es, als würden diese Objekte und die bemitleidenswerten Karawanen, die von Zeit zu Zeit Opfer des gewaltigen Sturmphänomens werden, gnadenlos in Grund und Boden geschmirgelt - in Wirklichkeit leben sie im Innern des Sarges recht komfortabel weiter. Man wird nicht quasi-unsterblich, wie man es von anderen Wüstenstürmen gewohnt ist, man wird auch beim Eintritt nicht uralt, aber ansonsten muss der Scharach-il-Allah den Vergleich mit der Konkurrenz nicht scheuen: Ein erschütterungsfreies Zentrum und halbwegs erträgliche Lebensbedingungen sind ebenso vorhanden wie unweigerliche Gefangenschaft. Man kann praktisch nicht lebend entkommen. Manche haben versucht, den Weg durch die Außenwand in der entgegengesetzten Richtung zu nehmen. Ihre Gebeine ruhen tief im Wüstensand. Hier hat der Schmirgel Gottes seine ihm so oft nachgesagte tödliche Wirkung nachgeholt. Man findet sich also besser gleich damit ab, wenn man einmal drinnen ist. Wenn man großes Glück hat, findet man vielleicht ein Dimensionsloch, durch das man bei noch größerem Glück vielleicht an einen Ort gerät, an dem man größere Freiheiten genießt als in der Enge zwischen sechs Holzplatten, malerisch verschönert durch das Gerippe eines längst verblichenen Zyklopen.

 

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