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60. Erstellen Sie einen chronologischen Abriss der ersten Finsterbergbesteigung!

Zamonische Geschichte / Januar 2002 /

Oha, chronologischer Abriss - das klingt ja weihevoll! Wo man Forschungsexpeditionen chronologisch abreißt, fertigt man sicher auch Reiseführer für Hinterhöfe an und erstellt umfangreiche Betrachtungen über die daktylischen Strukturen mittelständischer Einkaufslisten im heutigen Atlantis. Um ehrlich sein, das ist etwas zu hoch für einen einfachen Nachtdoktor. Nicht, dass die erste Finsterbergbesteigung nicht sehr bedeutend gewesen wäre, ja, sie läutete nachgerade mit Donnergetöse eine neue Ära ein (immerhin wäre das heutige zamonische Bildungssystem ohne eine extensive Wohnraumnutzung in den Finsterbergen kaum möglich), aber für einen chronologischen Abriss bietet sie (die Besteigung, nicht die Ära, die schon, aber um die geht es hier ja nicht) einfach nicht genug Jahreszahlen, die doch gerade den Reiz dieser Darstellungsform ausmachen.

Wenn man sich nach der Art übelster Stollentrolle und Finanzcoiffeurs einen abtrickst, kommt man immerhin mit Mühe und Not noch auf zwei Stück: 414 v.P. und 412 v.P., zwischen diesen beiden Jahren liegt nämlich das Jahr, in dem die Finsterberge zum ersten Mal bestiegen wurden. Drei Wochen dauerte die Expedition gerade mal - hätte sie mehr Zeit in Anspruch nehmen sollen, hätte man für diesen Zweck schon einen Riesenbollogg heranschaffen müssen (diese Gesellen sind ja bekanntlich immer etwas langsamer), aber selbst der hätte wohl allen bekannten Gesetzen der Quanten-Mechanik zufolge seine Mordsmauke bei der ersten Berührung einer der nadelspitzen Felsenzinnen der Finsterberge verhältnismäßig schnell wieder zurückgezogen [EXKURS: Warum tut es weh, wenn man eine Nadelspitze berührt? Weil die ganzen Teufelselfen, die draufsitzen, einen mit ihren nadelspitzen Zähnchen empört in die Haut beißen. Warum tun deren Zähne dann wiederum weh? Weil auf denen wieder irgendwelche noch winzigeren Biester sitzen, und so fort, bis in alle Ewigkeit. EXKURS ENDE], und man hätte wieder nicht genug Stoff für einen chronologischen Abriss.

Nö, sach ich da, was wir brauchen, ist ein ganz normaler Expeditionsbericht, welcher da lautet wie folgt: Im Jahre 413 vor Polykrates aber war es, da sich fünf ebenso weise wie wagemutige Gefährten aufmachten, das Geheimnis der sagenumwobenen Finsterberge ordentlich durchzulüften und nebenbei den ein oder anderen topografischen Punkt zu installieren. Das Team bestand aus dem Eydeeten Prof. Dr.² Mustafa Nachtischer, dem Leiter der Expedition und damals renommiertesten Geologen zwischen Redford und Rügenwalde, dem fhernhachischen Forscherehepaar Dippdich und Kathäte von Hachen, der Haifischmade und Hobbymineralogin Sybrille di Optrien sowie dem verzogenen Nattifftoffenmillionärssöhnchen Zilo Dakytow, das die Expedition zum eigenen Vergnügen mitmachte, die ganze Zeit über ein Klotz am Bein war, aber dummerweise den Geldgeber der Mission, den atlantischen Duftbaumfabrikanten Teli Dakytow, zum Vater hatte.

Nun ja, Sponsoren hin oder her, möglich wurde die ganze Expedition erst durch eine Erfindung des zu jener Zeit lebenden und wirkenden Philosophen, Alchimisten und Universalgelehrten, des legendären Zoltepp Zaan, der, so steht es in seinen Aufzeichnungen "die geheymnisvollen Kräfte, die dem Eysen innewohnen, erforschte und eruierte und meynem Willem untertan machte". Er erfand nämlich den Magnetschuh und den Magnethandschuh, zwei Utensilien, die das Erklettern der pechschwarzen, glatten, steilen Felsen, die Jahrhunderte hindurch als völlig unbegehbar gegolten hatten, zwar nicht zu einem Kinderspiel machten, aber immerhin in den Horizont des Möglichen rückten, indem sie sich den hohen Eisengehalt der Finsterberge zunutze machten. Auch spezielle ferromagnetische Schlafsäcke und Feuerstellen gehörten zum Gepäck der fünf Forscher, da allein der Aufstieg sechs Tage in Anspruch nahm und mehrmals gerastet werden musste.

Mannigfache Gefahren und Entbehrungen warteten dabei auf die fünf Gefährten. Beispielsweise wiesen die eisernen Wände des Gebirges an bestimmten Stellen sogenannte magnetische Untiefen auf - einzelne kleine magnetisierte Stellen, die man mit den damaligen technischen Möglichkeiten nicht erkennen konnte, bevor man mit einem Magnetschuh unbarmherzig daran kleben geblieben (bei entgegengesetzter Ladung; es bedurfte dann mehrerer starker Arme, um den Schuh wieder zu lösen) oder (bei gleicher Ladung) fies daran abgeglitten war. Außerdem wurden die Finsterberge durch ihren hohen Metallgehalt bei Tage schnell sehr heiß und bei Nacht schneidend kalt; das Klettern mitten im Epizentrum eines unbarmherzigen Kampfes zwischen Schwer- und Magnetkraft war so oder so ungemein strapaziös, und zu allem Überfluss wurde das Team bereits am vierten Tage seiner Expedition von einem Finsterberggewitter der übelsten Sorte erwischt. Man darf sich das ungefähr so vorstellen, dass man als lebender Klöppel bei vollem Geläut in einer riesigen Glocke hängt, die unter Starkstrom steht. Nicht angenehm. Während die anderen sich voll hilflosen Entsetzens unter einem Felsvorsprung zusammenkauerten, wurde Sybrille di Optrien von einem zersplitternden Felsen verschüttet und konnte erst nach vielen Stunden intensiven Grabens - wie durch ein Wunder kaum verletzt - geborgen werden. Doch damit war die Kette der Abenteuer erst am Anfang.

Das Erste, was getan werden musste, als der Gipfel endlich gestürmt war, war, eine eherne Plakette mit folgender Aufschrift am höchsten Punkt zu befestigen, zum Zeichen des Sieges der Zivilisation über die Natur: "Dakytow-Duftbäume - frisch und dufte seit 501 v.P. Jetzt in über vierzig Duftvarianten!". Damit und mit einigen ausführlichen wissenschaftlichen Notizen über die geologische Beschaffenheit der Finsterberge, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, wäre die Mission eigentlich erfüllt gewesen - wäre nicht Zilo Dakytow beim Spazieren über ein Felsplateau plötzlich in ein unscheinbares Loch gestolpert und in der Tiefe verschwunden. Während die anderen oben noch dumm guckten und sich ausmalten, in wie feine Scheibchen sie von Zilos Vater wohl geschnitten werden würden, wenn sie ohne seinen Sprössling zurückkehrten, entfachte der Verschwundene in der Tiefe sich eine Fackel und begann in seinem jugendlichen Abenteuergeist das labyrinthisch verzweigte Gangsystem im Innern der Finsterberge zu durchstreifen.

Das war eine sensationelle Entdeckung, gerade für die vier Forscher, die natürlich, aus Sorge um Kopf und Kragen ebenso wie aus wissenschaftlicher Neugier, alsbald hinterher stiegen: Die Finsterberge waren keinesfalls so massiv, wie sie von außen wirkten, sondern vielmehr porös wie ein Badeschwamm und von unendlich verwinkelten und verworrenen Stollen durchzogen, die sich wanden, kreuzten, drehten, verzweigten, auf-, ab-, nord-, ost-, süd- und westwärts führten - und in denen sich alle Fünfe natürlich binnen Zehntelsekunden heillos verirrt hatten.

Nichtsdestotrotz gingen sie mit flammendem Eifer daran, den Ursprung dieses Labyrinthes herauszufinden und waren damit wahrscheinlich die ersten zivilisierten Daseinsformen, die sie sahen: Die Finsterbergmade. Späteren Generationen teilten sie ihre Entdeckungen durch Höhlenzeichnungen an den Stollenwänden mit, über die ich kürzlich bei einem Stollenspaziergang entdeckt habe - daher weiß ich das ja überhaupt alles, meinen Sie, die hätten da je wieder rausgefunden? Wie denn auch? Na gut, aber jedenfalls haben sie einigen der in den Finsterbergen beheimateten metallischen Erdwürmer bei ihrem bei Lichte betrachtet recht sinnfreien Tagewerk zugesehen und vielleicht sogar bis zu ihrem Ursprung verfolgt. In der heutigen Wissenschaft ist die Theorie sehr umstritten, aber das Expeditionsteam entdeckte dereinst - wenn ich die teilweise verwaschenen und recht unverständlichen Aufzeichnungen recht deute - die sogenannte "Große Made", eine gigantische Maschinerie unbekannten, vielleicht außerirdischen, vielleicht sogar außerkosmischen, Ursprungs in einer noch gigantischeren Felsenhalle, die, ähnlich einer Ameisenkönigin, in Fließbandproduktion tagtäglich vierzig, fünfzig metallene Eier zusammenschweißte, aus denen später unter Zischen und Schnaufen ausgewachsene Maden wurden. Wie gesagt, man weiß nicht, ob das wahr ist, doch es ist durchaus denkbar, dass diese Maschine in einem bislang unerforschten Bereich des Finsterberglabyrinhtes (das heißt, sie könnte praktisch überall sein) immer noch existiert und auch immer noch vor sich hin werkelt.

Den Aufzeichnungen nach zu schließen hat Dippdich van Hachen damals sogar den Versuch gestartet, einen Konstruktionsplan der Maschine zu erstellen und zum Nachbau freizugeben. Tja, wenn man sonst nichts zu tun hat! Wer wollte sich nicht schon immer mal ein metallenes Monstrum in den Keller erstellen, das nach dem Prinzip klassischer Zentralfortpflanzungswirtschaft Leben erschafft, das alles durchlöchert was ihm vor die Schnauze kommt? Ich persönlich würde es bevorzugen, der "Großen Made" mal ein paar Backsteine ins Getriebe zu kippen, anstatt sie zu kopieren. Nichts gegen Finsterbergmaden, aber in letzter Zeit scheinen sie sich so stark zu vermehren, dass man befürchten muss, dass die Finsterberge sich vor lauter Durchlöcherung bald in die Lüfte erheben. Wenn sie nicht vorher eingekracht sind - und dann wäre ja die ganze Besteigung für die Katz gewesen.

 

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