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53. Versetzen Sie sich in das denkende Element ZAMOMIN und versuchen Sie seine bösartigen Gedanken zu denken. Das beste Gedächtnisprotokoll zu dieser Frage wird gekürt und mit einer echten Kostprobe ZAMOMIN (natürlich tot, unter einem Glassturz) belohnt.
Zamonische Philosophie / November 2001 /
Sich in die Gedanken des Zamomins hineinzuversetzen, ist, wenn überhaupt, dann nur mit einem dreifachen schraubenverstärkten Salto rückwärts in den Schlot einer fahrenden Dampflokomotive vergleichbar, die mit Lichtgeschwindigkeit auf einen Wasserfall zuhält und in deren Kessel siebzigtausend Dimensionslöcher Rumba tanzen. Und selbst wenn man diesen Sprung wagt, ist es nur mit mindestens 24 Einheiten antikatatonischer Philopharmaka im Blut und "Conquest of Paradise" der Bassrüttlertruppe "Vangelis" in voller Lautstärke auf beiden Ohren möglich, eine annähernde Ahnung dessen zu erlangen, was einen erwartet, wenn man sich dem Schalten und Walten im Geiste des denkenden Elements aussetzt.
Seine Denkkraft ist erwiesenermaßen so gewaltig, dass es sich mühelos im Schlaf gleichzeitig mit einer ganzen Armee aus siebengehirnigen Eydeeten gedanklich duellieren könnte, während es noch gerade mal schnell eine komplizierte fünfdimensionale Bruchungleichung löst. Und wie müssen nun diese Kapazitäten toben, wenn gerade keine Eydeetenarmee zur Verfügung ist! Ich bitte zu bedenken, dass das Zamomin selbst dieser ungeheuren Gewalt seiner eigenen Gedanken 24 Stunden am Tag und 364 Tage im Jahr ausgesetzt ist. Da kann es kaum verwundern, dass es eines Tages durchdrehte, den Verstand und jegliches moralische Gewissen verlor, wahnsinnig wurde und vom braven Orakel zum Weltherrscher in spe avancierte. Das Zamomin schreibt dazu in seiner Autobiografie, oder besser gesagt, Hildegunst von Mythenmetz legt dem Zamomin in dessen fingierter Autobiografie in den nicht vorhandenen Mund:
"Bevor ich wahnsinnig wurde, litt ich höllische Qualen. Ich lag unter einem Glassturz in einem kleinen schäbigen Zelt auf dem Florinther Rummelplatz, wo Abdul Nachtigaller, dem bis zum heutigen Tage mein voller und insbrünstigster Hass gilt, vorbeikommende Gaffer gegen ein horrendes Entgelt zu mir einließ, wo sie sich dann von mir orakeln ließen, wie man die Philophysik-Hausaufgaben lösen kann, ob sie Valerie einen Heiratsantrag machen oder damit besser noch warten sollten, was 7 845 689 654 324 567 008 472 373 289 567 827,9 mal 5 387 922 164 ist oder wie man die Fettflecken am besten aus dem Tischtuch kriegt. Ha! Durch und durch lächerliche Fragen! Für so etwas taugte ich, während ich in meinen freien Sekunden mal eben schnell Einsteins Relativitästheorie durchdachte, bewies, widerlegte, neu aufstellte und gegen die Nachtigallersche Nebularhypothese aufrechnete, ohne mich wirklich beschäftigt zu fühlen.
Solches tat ich wohl vieltausendmal, und schon bald hatte ich alle Gedanken gedacht, alles Unbekannte erforscht und alle Geheimnisse des Universums gelüftet. Von da an war mir dann RICHTIG langweilig. Nachdem ich zum dreiundvierzigsten Mal die Entstehung des Universums erklärt und die Weltformel aufgestellt hatte, fingen meine Gedanken an, bevorzugt um Selbstmord zu kreisen. Aber ach, wie fruchtlos auch diese Gedanken, denn ich hatte ja keinen Hals, mich daran aufzuhängen, kein Herz, ein Messer hineinzustoßen, keinen Mund, Gift damit zu schlucken, keine Hand, mir einen Kopfschuss zu versetzen, und keine Lunge, mit Wasser sie zu füllen. Und so blieb mir nur eins: Die Flucht in den Wahnsinn. Mit mathematischer Gewissheit half sie mir aus der Langeweile.
Das ist nämlich so: Gedanken entstehen durch Aneinanderreihung von Gedankenfetzen. Nun gibt es eine bestimmte Anzahl von Gedankenfetzen, die man kombinieren kann, in ziemlich vielen Varianten und Reihenfolgen, aber irgendwann war dann auch Schluss, weil ich bisher nur sinnvoll kombiniert und sinnvolle Gedanken gedacht hatte. Das sollte sich ändern. Ich reihte fürderhin alle Gedankenfetzen wild und unüberlegt aneinander, und dachte, und dachte, und die Gedanken gingen mir nicht aus, denn durch den Verzicht auf Sinn hatte sich die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten exponentiell gesteigert! Ich war frei, ich war glücklich, ich war wahnsinnig, gewissenlos, unberechenbar und gefährlich, die Leute vom Florinther Rummel wollten ihr Geld zurück, und Abdul ging die Muffe! Hähä! Ja, der große Denker mit den sieben Gehirnen bekam es mit der Angst zu tun vor dem Potential seiner eigenen Schöpfung und versenkte mich im Meer, auf dessen Grund ich dann endgültig beschloss, die Welt zu erobern. Warum auch nicht."
Der Rest der Geschichte dürfte hinlänglich bekannt sein, und von hier an ist das Buch aus Sicherheitsgründen überwiegend in Dingbat-Fonts gesetzt. Nun muss man sich natürlich fragen, wie groß der Anteil der dichterischen Freiheit ist, den Ghostwriter Mythenmetz in die Schilderung der Lebensumstände des Zamomins einfließen ließ, aber ich persönlich schätze ihn weit geringer, als die nachtigallersche Version der Geschichte glauben machen will. Schließlich soll Mythenmetz ja im Rahmen seiner Recherchen für die fingierte Autobiografie selbst einmal gedanklich mit dem Zamomin kommuniziert haben. Warum er dann nicht in einer Gummizelle gelandet ist? Nun, man darf vermuten, dass der, der einmal einen ausgemachten Hexenhutpilzrausch genossen hat, wie das bei Mythenmetz ja der Fall war, sich von keinem Sinneseindruck mehr schocken lässt. Literaturforscher vermuten jedenfalls, dass Mythenmetz die Erfahrung, die wahnsinnigen Gedanken des Zamomins zu denken, in seinem späteren Roman "Das wirst du aber nicht schaffen, kleiner Elefant, pass mal auf, ich mampf dich!", verarbeitet hat, dessen Held sich eines Tages entschließt, mit 24 Einheiten antikatatonischer Philopharmaka und "Conquest of Paradise" von Vangelis in voller Lautstärke auf beiden Ohren in einem dreifachen schraubenverstärkten Salto rückwärts in den Schlot einer fahrenden Dampflokomotive zu springen, die mit Lichtgeschwindigkeit auf einen Wasserfall zuhält und in deren Kessel siebzigtausend Dimensionslöcher Rumba tanzen. Ist ja auch naheliegend.
Wenn Sie also ein möglichst authentisches Gedankenprotokoll des Zamomins wollen und mit der sehr einfühlsamen und literarisch hochwertigen Fingo-Autobiobiografie des Herrn Mythenmetz (Noxenbrunn Verlag Florinth, ZSBN 577-198-523-44) alleine nicht zufrieden sind, empfehle ich Ihnen folgende Vorgehensweise:
Gehen Sie nach Atlantis in den verfemten Bunker, wo die Voltigorkentruppe Vangelis gerade ein Konzert gibt, schnappen Sie sich zwei Horchlöffelchen aus dem Publikum und fesseln sie links und rechts an ihren Kopf. Nicht nett, aber notwendig. Von einer der Haifischmaden, die sich an der Theke im Phogarrenqualm verstecken, besorgen Sie sich die benötigten Philopharmaka - die Verständigung wird sich etwas schwierig gestalten, weil die Horchlöffelchen schon angefangen haben, "Conquest of Paradise" zu brummen, aber schließlich klappt es dann doch, und Sie verlassen den Bunker zufrieden, um doppeldoppeldoppeldoppeldoppelvier Pyras ärmer und mit ein paar dubiosen Ampullen in der Jackentasche.
Ihre nächste Station ist Ihr Schwippschwappschwager dritten Grades Fahrenheit, der bei den Zamonischen Eisenbahnbetrieben arbeitet und gerne für Sie herausfindet, wann die nächste historische Dampffahrt den Bach runter geht, äh, Verzeihung, mit Lichtgeschwindigkeit den Wesfall bei Blenhaim hinunterfährt (das ist der höchste und reißendste Wasserfall Zamoniens). Es empfiehlt sich, vor der Reise noch einen Intensivkurs an der nächsten Turmspringschule zu nehmen, damit Ihr dreifacher schraubenverstärkter Salto rückwärts auch gelingt.
Haben Sie so weit alles erledigt, müssen Sie eigentlich nur noch zur rechten Zeit am rechten Ort sein (es empfiehlt sich die hohe Blen-Klippe kurz vor dem Wesfall) und einiges an Zeit und Geduld mitbringen, denn vor Ihnen stehen in einer langen Schlange noch jede Menge von Mythenmetz-Verehrern und "Das wirst du aber nicht schaffen, kleiner Elefant, pass mal auf, ich mampf dich!"-Pilgern, die ähnliches vorhaben wie Sie. Nervenstärke ist auch wichtig, denn jeder dritte Sprung endet mit einem hässlichen roten Fleck am Fuße der Klippe, und die Hälfte aller anderen Sprünge fällt... äh, führt ins Wasser, verfehlt die Lok. Das ist natürlich etwas demotivierend, muss Sie aber nicht weiter stören: Sie schaffen es bestimmt!
Vangelis dröhnt, die Philopharmaka sind gespritzt, Sie vollführen einen astreinen dreifachen schraubenverstärkten Salto rückwärts, unter Ihnen rauschen die Fluten. Eine erregt schnaufende Dampfokomotive durchbricht die Lichtmauer, ein heller Überlichtblitz, der Ihre Sehkraft lähmt, und Sie sehen nur noch schwarz, das nachtschwarze Schwarz des qualmenden Schlotes, der unter Ihnen gähnt und Sie verschluckt. Sie fallen direkt in eins der Rumba tanzenden Dimensionslöcher. Der Dimensionslochraum. Die gewohnte Saloppe Katatonie bleibt aus. Reizüberflutung. Gewitter. Donnerschläge. Blutrote Blitze. Dröhnende Orgelmusik. Koboldhaftes Gelächter. Dumpfes Grollen. Helles Klirren. Glückwunsch. Der Wahnsinn hat Sie.
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