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50. Schreiben Sie eine Mythenmetzsche Abschweifung zum Thema a) Buntbären b) Bauming c) Literaturkritiker!

Zamonische Kultur / Oktober 2001 /

Halten wir für einen Moment inne, geben wir uns für einen Augenblick der Ruhe und der Entspanung hin, der wir im hektischen Alltag dieser Zeit so selten Beachtung schenken, und lauschen wir konzentriert in die Stille. ... Hören Sie das? Dieses ferne, dumpfe, ratternde Rumoren? Das ist Mythenmetz, der im Grabe rotiert. Was sollte er auch sonst tun bei einer solchen Verhöhnung seines geistigen Erbes, wie sie diesen Monat in den Finsterbergen zelebriert wird. Das kommt davon, wenn Philophysiker sich an Zamonischer Kultur vergreifen zu müssen glauben.

"Schreiben Sie eine Mythenmetzsche Abschweifung zum Thema a) Buntbären b) Bauming c) Literaturkritiker!", befahl Eliteakademiedirektor Prof. Dr. Abdul Nachtigaller seinen strebsamen Schülern und hatte damit seinen Annäherungsversuch an seinen wissenschaftlich-ideologischen Erzkontrahenten Hildegunst von Mythenmetz, auch gleich nach allen Regeln der Kunst versägt.

ERSTENS: Das von Mythenmetz eingeführte Stilmittel der Abschweifung lebt doch davon, dass es an sich einen brutalen Eingriff in die kunstvoll gesponnene und grazil geflochtene Handlung eines meisterlichen Romans darstellt. Der Autor unterbricht den Erzählfluss willkürlich und unvermittelt, rückt in schönster Unverfrorenheit sich, seine Launen, Ansichten und Zipperlein in den Vordergrund; der Leser ärgert sich grün und blau, will wissen, wie's weitergeht, verwünscht den selbstverliebten Schnösel von Schreiberling und kann doch nicht umhin, die unmaßgeblichen Ergüsse des plauderfreudigen Schriftstellers durchzuackern, um die Lektüre fortsetzen zu können. Von dieser teuflischen Raffinesse, die doch gerade das Wesen einer Mythenmetzschen Abschweifung ausmacht, kann hier keine Rede sein: Brave Nachtschüler verfassen sogenannte Mythenmetzsche Abschweifungen, die nicht nur vollständig aus dem nicht vorhandenen Zusammenhang gerissen sind, sondern auch noch vorgeschriebene Themen behandeln, a), b), c), Buntbären, Bauming, Literaturkritiker - womit wir auch schon bei ZWEITENS wären: Mythenmetzsche Abschweifungen entstehen immer aus einer Laune des Autors heraus - das Niveau der Abschweifungen, ihre Weitschweifigkeit und vor allem ihre Themen werden stets willkürlich nach Lust & Laune festgelegt. Das ist ja der Zweck des Stilmittels für den Schriftsteller: Einfach mal reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Und nicht, wie es das a), b), c) einer bornierten Aufgabenstellung vorschreibt.

Kein Wunder, dass sich die Gebeine des Erfolgsschriftstellers unruhig im Grabe wälzen. Kann aber durchaus von Vorteil sein. Gelänge es, eine Turbine mit Generator an Mythenmetz' Überreste anzuschließen und seine postmortale Rotation aufgrund von Pervertierung geistigen Nachlasses ("Er dreht sich im Grabe um!") nutzbar zu machen, so könnte bei kontinuierlicher Vergewaltigung seiner geistigen Hinterlassenschaften eine ganze Kleinstadt dauerhaft mit Strom versorgt werden. Alsdann, steigern wir doch die Rotationsgeschwindigkeit noch ein bisschen - im Dienste der Umwelt, hier kommt sie, die ULTIMATIVE PSEUDO-MYTHENMETZSCHE MÖCHTEGERN-ABSCHWEIFUNG zu den Themen a) Bauming, b) Buntbären und c) Literaturkritiker. Fangen wir damit mal an.

Ooooh, Literathuhrkritthickhär! Diese gottgleiche Elite überirdischer Lichtgestalten! Die einzigen, die wissen, worauf es wirklich ankommt! Jeden literarischen Patzer mit Genuss und Freude aufspießen! Deren Arbeit ungleich höher zu bewerten ist als jegliches schriftstellerische Gewurstel. Das gilt natürlich insbesondere für Mythenmetz, diesen eitlen, überschätzten Schmierfinken, der zu Lebzeiten selbst von dem die Grenzen der menschlichen Bewunderungsfähigkeit sprengenden Überwesen Laptantidel Latuda nicht den Dämpfer erhalten hat, den er verdiente. Um so dANKenswerter ist die Arbeit von Latudas Nachfolger, dem jungen Gott (erst 195 Jahre und doch so überirdisch!) Dennis Rausch-Rabatzki vom literarischen Quartell, dem schlechthinnigen zamonischen Literaturolymp der Neuzeit, der nun, nach Mythenmetz' Tod, dessen Werk einer ungemein dringenden und berechtigten Fledderung und Zerfetzung unterzieht. Mit einer Gründlichkeit, von der jeder Rasierer nur träumen kann, lässt er keins der unverdienten guten Haare an Mythenmetz und räumt mit diesem schmierigen Publicity-Possentreiber ein für alle mal auf. So ist's recht! Halleluja!

Weiter rückwärts im Text: b) Bauming... a) Buntbären... nun, diese beiden Themen stehen natürlich im unmittelbaren Zusammenhang miteinander und können schlecht einzeln behandelt werden. Ich möchte Mythenmetz hierfür im diametralen Gegensatz zur Lösung von Teilaufgabe c) mal eben wieder zum Genie erheben, denn was er zu diesem Thema geschrieben hat, ist doch gar nicht so unvernünftig. Es mutet schon seltsam an, dass ein Volk ehemaliger Molochsklaven in seinem beschaulichen Waldparadies Bauming einen so ausgeprägten Sinn für Ruhe, Sicherheit, Zucht, Ordnung, Recht, Pflicht, Hierarchie, Vorschriften, Normierung und Blasmusik entwickelt. Freilich, auf den ersten Blick scheint es logisch, dass, wer jahrzehntelang in der rußgeschwärzten, glühend heißen, strepitösen Atmosphäre eines Sklavenschiffs nahezu ununterbrochen rackern und ackern musste, sich später zu einer sehr harmonieliebenden Kreatur entwickelt. Doch was hat Harmonie mit einer derartigen Law&Order-Mentalität zu tun? Das Fehlen von Zucht und Ordnung war ja nun nicht gerade das, was sich an Bord der Moloch schmerzlich bemerkbar gemacht hätte. Im Gegenteil, es gab feste Arbeitszeiten, klare Befehle, die totale Beschäftigungsgarantie, feste Schlafzeiten, sichere Nahrungsversorgung... genau das ist es, was die Buntbären in ihrer selbstbeherrschten Waldidylle herstellen wollen! Verhältnisse, die im weitesten Sinne mit denen auf der Moloch identisch sind! Geregelte Arbeitszeiten. Gesetze. Regeln. Vorschriften. Normierten Wald, keinen Wildwuchs, kein Aus-der-Reihe-tanzen, kein Von-den-markierten-Wegen-abweichen, zackige Marschmusik (wenngleich noch ohne Hinrichtungen), Sondereinsatztruppen, die Recht, Ordnung, Friede und Autoritätsverhältnisse klarstellen.

Dass dies alles nur der Wahrung der Idylle dient, nach der bei den ehemalige Marionetten des durchgeknallten Denksteins, des Zamomin, ein großer Bedarf herrscht - das ist ein fataler Trugschluss, der aus oberflächlicher Betrachtung resultiert. Auch Mythenmetz hat dies nicht direkt angesprochen, aber sehr wohl gemeint, als er sich in einer seiner Abschweifungen über das militärische Gehabe der Waldwacht und der Buntbärengesellschaft im Allgemeinen ausließ. "Das sind doch alles Merkmale politisch zweifelhafter Ideen", klagte er an "ängstlich bemäntelt mit naturkonservatorischem Gehabe." Die Frage ist: WARUM tun die Buntbären das? Warum schaffen sie so vehement Autoritäten und Hierarchien, warum dieses militärische Getue, warum sträuben sie sich gegen eine grundsätzlich liberalere Gesellschaftsordnung, als dies auf der Moloch der Fall war? Angst vor dem Neuen? Mit dieser Begründung würde man es sich meiner Meinung nach zu einfach machen. Vielleicht sind es ja gar nicht die molochgebeutelten Buntbärensklaven, die die erwähnten politisch zweifelhaften Ideen ersinnen und durchsetzen wollen? "Hinter einer derart hysterisch polierten Idylle lungert gewöhnlich das Grauen.", schreibt Mythenmetz und jagt jedem denkenden Leser kalte Schauer über den Rücken. DAS GRAUEN muss mehr sein als nur ein von ein paar neurotischen Buntbären zusammengeschusterter Totalitärstaat. Vielleicht sind es vielmehr die namenlosen, verborgenen Mächte im Hintergrund, im ANDEREN Teil des Waldes, die das Volk der Bären langsam unterwerfen und sich den besiedelten Teil des Gehölzes zurückerobern wollen. Vielleicht sind die Buntbären mit ihrem Umzug von der Moloch in den Großen Wald vom Regen in die Traufe gekommen. Vielleicht ist es gar die HEXE, die sie langsam aber sicher zu Marionetten ihrer dunklen Pläne macht. Vielleicht... ach was, das sollte jetzt reichen. Mythenmetz ist bereits bei knapp 200 Megawatt. Nicht schlecht, ga?

 

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