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40. Benutzen Sie das von uns installierte Dimensionsloch und beschreiben Sie anschließend eine Dimension Ihrer Wahl!

Eydeetische Philophysik / Mai 2001 /

"Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde, wir freuen uns, dass Sie sich für ein Produkt von Atlantis High Tech International entschieden haben. Sie werden mit dem Dimensionslochmodem QZ-800 gewiss viel Freude haben und mit seinem Komfort zufrieden sein. Für einen reibungslosen und angenehmen Betrieb ist es trotz aller Sicherheitsvorrichtungen und der intuitiven Bedienungsweise erforderlich, dass Sie sich diese Gebrauchsanweisung aufmerksam durchlesen, um im Umgang mit Ihrem Gerät eine sichere Handhabe zu gewährleisten. Wir wünschen Ihnen viele spannende Erlebnisse und würden uns freuen, wenn seine Qualitäten Sie auch in Zukunft zum Kauf von AHTI-Produkten bewögen.

ABSCHNITT A: Beschaffenheit des Gerätes.
Wie Sie sehen, umschließt die in elegantem Anthrazit verkleidete Basiseinheit einen Plexiglastank mit einem grünlichen Flüssigkeits-Gasgemisch, das im Dunkeln leuchtet. Es handelt sich um einen metaphysischen Katalysator, ein Gemisch aus Fhernhachentränen, Friedhofsgas, Perpemm und domestizierter Dunkelheit, das durch seine einzigartige chemische Zusammensetzung Gennf in besonderem Maße an sich bindet und somit den gesteuerten Aufbau von Dimensionslöchern ermöglicht. Das geschieht durch eine Photomorphode und eine Skotomorphode, die zwischen sich in dem Plexiglasgefäß eine interdimensionale Spannung aufbauen, hochsensible Geräte, die fest mit der Katalysatorkartusche verschraubt sind. Diese Verbindung sollte nur durch erfahrenes Fachpersonal gelöst werden.

ABSCHNITT B: Inbetriebnahme.
Stellen Sie das Modem an einem trockenen, vor direkter Sonneneinstrahlung und Erschütterungen geschützten Ort auf. Es benötigt zum Betrieb nichts als die Verbindung zu einem handelsüblichen yhôllischen PC, die über das mitgelieferte Kabel erfolgt. Der zugehörige Stecker ist aus Knetgummi, was den Anschluss an jedwede Art der Schnittstelle ermöglicht und die Inbetriebnahme sehr unkompliziert macht. Infizieren Sie nunmehr den Computer mit der mitgelieferten Intelligenzbazille, schalten Sie ihn ein und lassen Sie sich von unserem Dimensionsloch-Wizard durch den einfachen Installationsvorgang führen, der automatisch und ohne Fachkenntnisse zu verlangen eine Verbindung zum Netzwerk des Dimensionslochraumes ermöglicht. ..."

Ja, da gibt es dann noch ABSCHNITT C: Maßnahmen bei Betriebsstörungen und ABSCHNITT D: Wichtige Hinweise. Geschenkt. Legen wir los. Das Modem läuft, ein Dimensionsloch ist generiert, ich bin nicht länger auf das billige Exemplar angewiesen, vor dem sich in der Nachtschule die Massen drängen... und kann in aller Ruhe lossurfen (segeln? sausen?) in die, sag mal 'ne Zahl zwischen Vier und Unendlich, genau, in die 3768 Dimension. Nein, sagen wir besser: Das Universum mit der Indexnummer 3768. Klingt professioneller und ist auch richtiger. Und schon kann's losgehen mit der Beschreibung:

DIE MAZÉ-DIMENSION.
Mazé mit weichem "s" und langem "e", so hat ihr Entdecker (oder Erschaffer?) sie genannt, nicht weil er so hieß, sondern weil der Name gut zu ihr passte. Man kann sich auch recht gefahrlos für längere Zeit darin aufhalten - Temperatur, Luftdruck, Sauerstoffgehalt, Gravitation, all dies und ähnliches ist vertraut und lebensfreundlich für unsereins wie auch für die angestammten Bewohner von Mazé: Es handelt sich um Tierchen. Treffender kann man die Viecher nicht beschreiben: Es sind kleine farbige Fellbüschel, etwa in der Größe eines Tennisballs, die außerdem nichts als zwei große Augen haben, deren Blick stets die paar Emotionen und Äußerungsweisen widerspiegelt, zu denen die Tierchen fähig sind: Hunger. Durst. Aufopferungsvolle Zuneigung. Grenzenlose Naivität. Unverständnis. Angst. Treue. Irrationales Vergnügen.

Miteinander können die Tierchen, die in Mazé zuhauf herumwuscheln und dabei in allen Regenbogenfarben vorkommen (nicht ganz so farbenprächtig wie das Volk der Buntbären, aber immerhin...), nicht viel anfangen - dazu kapieren sie einfach zu wenig. Jedes wuschelt so vor sich hin in der Hoffnung auf plötzliche Erfüllung seines Lebenssinnes. Das könnte zum Beispiel mit dem Auftauchen eines Menschen geschehen: Auf ihn stürzt sich ein Tierchen sofort unter Bekundungen von Zuneigung ("Hab' dich lieb!", "Mag dich!") und Treue, wobei es bei den entsprechenden Gelegenheiten trotz scheinbar dazu fehlender Organe erstaunlich gut mit seiner piepsigen Stimme reden, sich mit nichtvorhandenen Greiforganen festklammern und Leckereien mit seinem nichtvorhandenen Mund in sich hineinmümmeln kann. Tierchen sind treu - oder eher abnorm dämlich - bis in den Tod. Jeder Versuch, mit einem ernsthaft zu sprechen, endet in einem herzzereißend hilflosen Blick des Fellbüschels und der rettenden Universalantwort: "Hab dich lieb!" Des weiteren kann man Tierchen fies hinhalten, psychischem Druck aussetzen, ihnen die Fusseln ausrupfen, sie grillen, grausamen Experimenten unterziehen - sie kreischen zwar vor Schmerz und Angst, kriegen aber die Tatsache nicht gebacken, dass es der Mensch, das Objekt aller Zuneigung der Tierchen ist, der sich diese grausamen Späße mit einer körperlich und geistig unterlegenen Daseinsform macht. So endet das Leben des bemitleidenswerten Tierchens dann oft mit dem verzweifelten, aus tiefstem Herzen kommenden Aufschrei: "Hab dich lieb!".

Das eigentlich Kuriose dabei ist: Sie betrachten sich selbst als dem Menschen überlegen - der Mensch ist eine Art Haustier der Tierchen. Dass er oft über ganz alltägliche Dinge spricht, die die Tierchen selbst bei dreifachem Intelligenzquotienten nicht ansatzweise begreifen würden, dass er Tierchen, wenn er verärgert ist, bisweilen als Tafelschwamm oder Tennisball zweckentfremdet, dass die kleinen Fellbüschel dem homo sapiens völlig hilflos ausgeliefert sind und es nötig haben, sich die Zuneigung desselben zu erschleichen - all dies geht über die Grenzen des beschränkten Tierchen-Weltbildes hinaus und wird einfach geistig abgeschnitten, nicht bedacht. Dafür sind Tierchen ja auch wiederum viel zu dumm. Aus diesem Grunde gehen sie auch einfach dem einzigen Lebens(un)sinn nach, den Mazé offeriert.

Die Dimension selbst ist nämlich ein verschlungenes Geflecht, ein kompliziert verknüpftes Netzwerk, ein richtiggehendes Labyrinth aus verschiedenen Traumbildern und von einem höheren Bewusstsein fingierten Räumen. Es gilt eigentlich nur die Wege von einem in den nächsten zu finden. Da steht man zum Beispiel in einer kostbaren, gülden verzierten und prunkvoll ausgestatteten orientalischen Säulenhalle mit einem ebenso üppigen Brunnen in der Mitte. Ein paar unscheinbare Kacheln auf dem Boden bringen einen weiter zum nächsten Traumbild: Eine weite Ebene, unter klarem Sternenhimmel ragen spitze, kalte Finger aus dem Boden und tragen kugelförmige Tanks, die fast freischwebend wirken. Nur wenn man das Fragezeichen auf dem Boden findet, hat man eine Chance auf den Anblick eines Achtung gebietenden Glaskopfes, der einen gottgleich mit mächtig leuchtenden Augen anstiert und von seinen getreuen Trabanten, drei roten Kugeln, umkreist wird. Von einer der drei kann man sich davontragen lassen zu einer einsamen Sanduhr. Gebraucht man sie richtig, kann man sich bald in der Aura abstrakter Formen zerfließen lassen, bevor man den Weg zum buntesten aller Hüttenwerke findet... so geht das weiter, die Traumlandschaften nehmen kein Ende.

In Mazé ist man ständig auf der Suche. Auf der Suche nach neuen Räumen, die die Langeweile vertreiben. Auf der Suche nach Nahrungsvorkommen, die das Überleben sichern. Auf der Suche nach Menschen. Auf der Suche nach einem eventuellen Ausgang oder einem Mittelpunkt, nach dem eigentlichen Geheimnis der 3768. Dimension. So halten es jedenfalls die stupiden Tierchen. Sie sind rastlos unterwegs, und das ist ja nun auch das sinnvollste, was man in einer Traumwelt wie Mazé machen kann. Gerade für sie sind die mannigfachen Fantasielandschaften ehrfurchterregend und zum Staunen. Die Suche nach dem Schlüssel zum nächsten Abschnitt wird gerade für Tierchen im Hohle-Hand-Format zu einem großen Abenteuer, das ihre ganzen kleinen, nutzlosen Leben ausfüllen wird.

 

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