38. Wie funktioniert ein Dimensionsloch?
Eydeetische Philophysik / Oktober 2001 /
Ein Dimensionsloch... wenn es denn überhaupt mal im engeren oder weiteren Sinne funktioniert, sind es komplizierte philophysikalisch-chemagiologische Vorgänge, die dies bewirken. Das wäre an sich kein Problem, schließlich wimmelt der Kontinent Zamonien nur so von fähigen Wissenschaftlern, die diese Vorgänge im Handumdrehen entwirren könnten. Trotzdem sind die bisher nie näher erforscht worden, weil sich die besagten Wissenschaftler streng in Philophysiker und Chemagiologen gliedern - zwei Wissenschaften, die im Grunde eng zusammenhängen und bei denen gerade, wenn es um Dimensionslöcher geht, eine Hand-in-Hand-Arbeit gefragt wäre. Leider bilden Philophysiker und Chemagiologen traditionell zwei Lager, die sich spinnefeind sind. Bei der Erstellung wissenschaftlicher Weltbilder, im Mikro- wie im Makrokosmos, sind sie ständig dabei, sich gegenseitig zu widersprechen, gegeneinander zu wettern, dabei oft und gerne persönlich und unflätig zu werden, sich brutale Schaukämpfe zu liefern, sich wissenschaftliche Knüppel zwischen die Beine zu werfen und alles zu tun, um bloß keine Zugeständnisse an die andere Seite zu machen, um jeden Preis in verschiedene Richtungen zu denken und größere wissenschaftliche Fortschritte, für die eine friedfertige Zusammenarbeit unerlässlich wäre, zu verhindern. Einheiten werden absichtlich so definiert, dass eine Umrechnung von einer einzigen chemagiolgischen Größe in eine philophysikalische aufgrund der vielen Nachkommastellen eine ganze Bibliothek in Anspruch nehmen würde. Junge Philophysik- und Chemagiologiestudenten spielen sich das ganze Jahr über in einer Art Clanfehde gegenseitig groß angelegte Streiche, wobei allerdings auch längere Wege zurückgelegt werden müssen, denn eine Errichtung von Fakultäten für beide Fächer an derselben Universität wäre absolut undenkbar. Dass die renommierteste zamonische Uni, die Gralsunder nämlich, sich für Philophysik entschieden hat, ist den Chemagiologen ein Dorn im Auge, und dass der Chemagiologie die Sympathien nahezu aller namhaften Größen in Literatur, Politik, Adel, Plebs, Klerus, Wirtschaft, Popkultur und Showbiz in Zamonien gehören, ärgert hinwiederum die Philophysiker bis aufs Blut.
Die alte Rivalität und Feinzeligkeit (bitte die zweite Silbe kurz und unbetont sprechen!) geht bis auf die alchemistischen Kriege zurück, die alle Wissenschaften spalteten und die Spezies des Universalgelehrten aussterben ließen. Ausgelöst wurde dieser Krieg vom letzten Exemplar dieser Spezies, Zoltepp Zaan - mehr dazu an anderer Stelle. Jedenfalls geschah es in diesem Prozess, dass die Wissenschaften sich spezialisierten und fürderhin friedlich koexistierten, bis auf unsere zwei besagten Streithähne. Es ist kaum zwei Jahrhunderte her, dass es zwischen Vertretern der Philophysik und der Chemagiologie noch zu blutigen Schlachten kam; Legenden erzählen sogar von den beiden Riesen Shypilokhip und Mechageigilo, die... aber das gehört nicht hierher. Zurück zum Dimensionsloch.
Ein Dimensionsloch funktioniert... äh... ja... wie eine Hotelzimmertür. Stellen Sie sich das Universum als ein Hotel mit Nachtilliarden und Abernachtilliarden von Zimmern vor. Das sind die verschiedenen Orte, Zeiten und Dimensionen des Universums. Untereinander sind sie nicht verbunden, nur durch das Foyer gelangt man auf die einzelnen Etagen und anschließend ins richtige Zimmer. Das Foyer ist der Dimensionslochraum. Die Dimensionslöcher sind die Türen, durch die man seine gewohnten Orte, Zeiten und Dimensionen verlassen und andere betreten kann. Aber wie funktionieren diese Türen? Wie schließt man sie auf und zu? Warum sind sie nicht nummeriert, sodass man sich im Dimensionslochraum zurecht finden könnte? Wie werden sie geschnitzt und die Messingtürknäufe eingepasst? Aus welchem Holz bestehen sie? Sind sie schalldicht? Sind alle gleich breit? Gibt es Doppelzimmer mit zwei Türen? Wie findet man zum Lokus des Universums? Wer ist der Empfangschef, welche Auskünfte gibt er und wie komunniziert man mit ihm? Dies alles sind Fragen, die uns nur die Chemagiologie und die Philophysik beantworten könnten - und zwar im Teamwork! Was aus bekannten Gründen praktisch unmöglich ist.