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28. Warum wirken die atlantischen Rikschadämonen so abschreckend auf ihre potentielle Kundschaft und was könnte man dagegen unternehmen?

Gralsunder Dämonologie / Juni 2001 /

Zu diesem Thema findet man bereits in den Archiven der Nachtschule Abhandlungen, die über zwölf Monde zurückreichen müssen. "Rikschadämonen", schrieb damals beispielsweise ein Wolpertinger, der inzwischen auch promoviert hat, als Lösung einer der ersten, wenn nicht gar überhaupt der allerersten Aufgabe, die Prof. Dr. Abdul Nachtigaller den Schülern seiner Eliteakademie stellte, "waren vor allem in Atlantis verbreitet und sind, seit diese Stadt auf recht unkonventionelle Weise verschwand, auf der Erde praktisch ausgestorben. Auf Außenstehende wirken Rikschadämonen durch ihr groteskes Aussehen, das u.a. von Dreiäugigkeit, Buckligkeit, Muskulosität und Krallenbewehrtheit geprägt ist, oft erschreckend und abstoßend, sie sind jedoch freundlich gesinnt und dienten in Atlantis lange Zeit als beliebtes Transportmittel, indem sie Passagiere auf ihrem Buckel reiten ließen. Diese Aufgabe verlangt Stärke, Schnelligkeit und Ausdauer, biologische Eigenschaften, die dem Rikschadämon offensichtlich gegeben sind." Mit diesem Aufsatz wirkte besagter Wolpertinger derzeit wohl so sehr als Meister der Gralsunder Dämonologie, dass sogar ein Mitschüler es sich nicht nehmen ließ, das in der Raucherecke so oft durch Gesten angedeutete "Abpinnen einer Hausaufgabe" in die Tat umzusetzen.

Es möge also gestattet sein, hier wieder einmal die offensichtlich nicht ganz korrekt formulierte Aufgabenstellung anzufechten. Sicher, Rikschadämonen wirken zweifelsohne zunächst einmal abschreckend, was bei dem für chinesiche Dämonen typischen Erscheinungsbild nicht verwundert - aber sind es nicht gerade ihre grotesken Fratzen, die beinahe morbiden Erscheinungsbilder, die ausgeartetsten anatomischen Alpträume, die nach altem Glauben BÖSE GEISTER vertreiben? Böse Geister sind es, gegen die die Natur die chinesichen, nein, wohl überhaupt alle Dämonen gewappnet hat. Ihre Hässlichkeit dient gerade zum Schutz vor dem Bösen, das manche vielleicht fälschlicherweise hinter den dämonischen Fratzen vermuten. Das Böse selbst ist wohl eher dem Schönen zugetan, meistens sogar dem perfekten Erscheinungsbild - der Unsichtbarkeit. Denn was nicht ist, kann nicht hässlich sein, frei nach dem Motto: Wer nichts macht, macht nichts falsch.

Dämonen, das hat uns die Zeit gelehrt, sind in aller Regel friedlich, hilfsbereit, intellektuell stimulierend und liebenswert, ganz normale Zeitgenossen halt und als solche heutzutage faktisch und unbestritten Mitglieder der zamonischen Gesellschaft wie alle anderen. So sind es unter all den zamonischen Dämonen-Daseinsformen wie Moosdämonen, Schilfdämonen, Wasserdämonen, Bergdämonen, Teufelselfen und Unsummen anderer Arten die Rikschadämonen, die sich ihren besonderen biologischen Fähigkeiten entsprechend auf das Personennahverkehrsgewerbe in Atlantis spezialisiert haben und von ihren Kunden immer höchste Qualitäten in Sachen Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Höflichkeit und Fahrkomfort bescheinigt bekommen. Freilich war das nicht immer so - es gab durchaus Zeiten, in denen Dämonen ihrem schlechten Ruf als Schreckgespenster und unheilsvolle Kreaturen noch alle Ehre machten, zumindest aus der Sicht "etablierter" Daseinsformen wie Menschen, Nattifftoffen, Yetis oder Zwergen. Denen wollten die Dämonen jedoch durchaus nichts Böses; sie brauchten nur etwas länger um zu kapieren, dass sie als Schreckgespenster nicht länger gefragt waren - auf dem Sektor hatten sie in früheren Zeitaltern gewütet, als noch breitere Bevölkerungsmassen an die besagten "bösen Geister" glaubten und den Dämonen für solche vermeintlichen Vertreibungsaktionen dankbar waren. Böse Geister hat man halt nicht so gern, ob sie nun existierten oder nicht, wie auch immer sie beschaffen sind und auf welche Weise sie ihren schlechten Einfluss nehmen. Fest steht: Von dämonischen Fratzen werden sie vergrault.

Nirgendwo konzentrieren sich Dämonen stärker als in Atlantis, und nirgendwo sind soziale Missstände, Armut und Elend weniger vorhanden als eben dort - das sollte man schon einmal im Zusammenhang betrachten und sich darüber klar werden, wie viel wir den hässlichsten unserer Zeitgenossen zu verdanken haben. Und fest steht auch: Böse Geister, ob sie nun existieren oder nicht, wie auch immer sie beschaffen sind und auf welche Weise sie ihren schlechten Einfluss nehmen, gehören nicht zur Gruppe der potentiellen Kunden von Rikschadämonen - man darf davon ausgehen, dass sie andere Methoden der Fortbewegung bevorzugen. Wo also ist das Problem? Ach ja, die Kinder.

Die Atlantische Bevölkerung jüngerer Generationen findet sich kaum auf den buckligen Rücken der dreiäugigen Rikschadämonen wieder - diese Zielgruppe entgeht ihnen einfach. Die Ursachen hierfür sind wohl im verstaubten atlantischen Bildungssystem zu suchen. Bürgerliche Schulen sind aufgrund uralter Paragraphen und Traditionen, die sich in der nattifftoffischen Bürokratie festgesetzt haben, streng nach dämonischen und nichtdämonischen Daseinsformen unterteilt - eine Ordnung, die die atlantische Gesellschaft nun gar nicht widerspiegelt, aber eben seit Jahrhunderten so praktiziert wird. Da man nun mal in jungen Jahren in Atlantis wie auch anderswo die meisten sozialen Kontakte in der Schule unter Gleichaltrigen knüpft, beginnt die Gewöhnung an Dämonen meistens erst mit dem Einstieg ins Berufsleben - vorher werden halt Lorenbahn und Fesselbalons bevorzugt, um sich in der Stadt fortzubewegen. Der Umgang mit Dämonen ist und bleibt Gewöhnungssache. Um so lobenswerter und wohl nicht in erster Linie dem Umsatz, sondern der Begegnung und dem freundschaftlichen Zusammenleben verpflichtet ist das Engagement der Rikschadämonen, die trotz stets eintretender Fehlschläge nicht müde werden immer neue Kinderfeste zu organisieren, um auch diese Zielgruppe zu erreichen und zur Verständigung der Daseinsformen beizutragen. Und um so mehr anzuprangern ist die Politik Nachtigallers in dieser Sache, dessen extraordinäre Eliteakademie, die Nachtschule, die schon so viele akademische Traditionen und Tabus gebrochen hat und hervorragend dazu geeignet wäre, dämonische und nichtdämonische Daseinsformen schon während der Ausbildung aneinander zu gewöhnen - aber unter den scheinbar willkürlich ausgesuchten vierzehn an der Nachtschule zugelassenen Daseinsformen findet sich zufällig keine einzige Dämonenart! Warum will man uns hier nicht? Warum muss man sich selbst hier erst als Wolpertingerwelpe verkleiden, bevor man für die Nachtschule zugelassen wird? Äh, rein hypothetisch jetzt, meine ich. So mal angenommen. Theoretisch. Konjunktiv zwei...

 

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