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26. Stellen Sie sich vor, Sie seien ein atlantischer Lügengladiator im Duell. Erfinden Sie eine wirkungsvolle Lügengeschichte! (vermutlich eine der längsten Hausaufgaben aller Zeiten)

Zamonische Kultur / Juli 2001 /

Tja, Kinners, wie ich euch hier so im Megather sitzen seh, Maiskolben verschlingend, Dampfbier schlürfend und den Blick in gieriger Erwartung eures Mittwochsabendsunterhaltungsprogrammes auf die Arena heftend... also, ich kann euch sagen, bei uns waren das noch andere Zeiten. Wir haben nicht immer nur nach Spaß und noch mehr Spaß geschrien und gewartet, dass wir alles serviert bekommen! Zu meiner Zeit musste man sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, kämpfen, hart arbeiten, jawohl, hart arbeiten! Das prunkvolle Atlantis mit all seinem Luxus, seiner Bequemlichkeit und seiner grellen Geschäftswelt war damals nicht mehr als eine karge Ebene gnadenlos harten Marmorgesteins - wenn auch mit einer beeindruckenden Vergangenheit.

Ähm... ihr kennt ja sicher die alte Geschichte von Königin Diameter und dem Turmbau zu Atlantis. Schon vor Jahrtausenden schlossen sich nach dieser Sage alle Völker Zamoniens, von den Horchlöffelchen über die Fhernhachen und die Nattifftoffen bis hin zu Yetis und Blutschinken, zusammen, um an der Stelle, an der heute die Stadt Atlantis glänzt, eine gemeinsame Heimstatt zu errichten, Wahrzeichen und Nabel des Kontinents Zamonien in Form eines gewaltigen Turmes. Er wird in der Sage so beschrieben, dass er ein kreisrundes Fundament von geradezu unermesslicher Breite haben und sich nach oben schreaubenförmig verjüngen sollte, ähnlich den heute bekannten Schraubentürmen der Babylonier, nur ungleich prächtiger, architektonisch ausgefeilter und so hoch, "dass er bis zum Himmel reiche und Königin Diameter in ihren Gemächern an der Spitze des Turmes nach den Sternen greifen könne", so berichtet die Sage, zeugend von etwas naiven astronomischen Vorstellungen und megalomanischen Architekturfantasien.

"Und es kamen alle in Scharen, das Werk zu beginnen, und sie arbeiteten mit feurigem Herzen und mit flammenden Gemütern." Diese Einigkeit im Geiste der Zamonischen Einheit, entfacht durch das massenpsychologische Faible der weisen Königin Diameter, war es wohl auch, die die doch so unterschiedlichen Daseinsformen zu Brüdern und Schwestern im Geiste und zu Kollegen auf der monströsen Turmbaustelle machte, darüber hinwegtröstete, dass natürlich alle Daseinsformen in dieser neu entstandenen multikulturellen Gesellschaft unterschiedliche Sprachen sprachen und das gesprochene Wort als Verständigungsmittel nicht dienen konnte - an seiner Stelle mögen Gesten, Mimik und der erwähnte einige Geist gestanden haben.

So ging zunächst alles glatt, die Arbeit am Turm ging unter den Händen euphorischer Völker flüssig vonstatten, und für Konflikte oder gar Streite gab es keine Anlässe - aber dann, o weh, kam ein übereifriger Nattifftoffe, einer der Berater der Königin, auf die Idee, für alle Völker Zamoniens eine einheitliche Nationalsprache einzuführen, das Prosperanto, eine logische, einfache, ausnahmenfreie und leicht zu erlernende Sprache, der Vorläufer des heutigen Zamonisch, das jedoch in seiner mehrtausendjährigen Geschichte die besagten Qualitäten komplett eingebüßt hat. Nun konnten sich also alle zamonischen Völker untereinander direkt und durch das gesprochene Wort verständigen. Und ach, Beschimpfungen, überflüssige Streitworte, Missverständnisse, Spott, üble Nachrede und Zwietracht, all dies, wofür zuvor kein Platz gewesen war, fand in der gesprochenen Sprache Aufnahme, und die Einigkeit war binnen kurzem beim Teufel. Die zamonischen Völker verkrachten sich, zogen strikt voneinander getrennt ihrer Wege und ließen den angefangenen Turm als Bauruine stehen, kaum mehr als Fundament, Katakomben und ein paar angefangene Stockwerke. Durch die "Sprachverwirrung", wie es in der Sage heißt, ging der ganze großartige Plan in die Binsen.

Ahem. So weit die Überlieferung. Legende, werdet ihr murren, blanke Erfindung verblichener Vorväter. Tja, Kinners, das dachte ich zu meiner Zeit auch noch. Oberflächlich sichtbare Spuren hatte Königin Diameter uns ja nicht hinterlassen - der jahrtausendealte Turmstumpf war längst bis zur Unkenntlichkeit verfallen und seine Katakomben von einer öden Ebene kargen Marmorgesteins bedeckt, die es auch über lange Zeit geschafft hatte, alle Arten zamonischer und sonstiger Bevölkerung fern zu halten. Über lange Zeit, sagte ich, nicht ewig, denn sonst gäbe es ja heute kein Atlantis. Nun, die atlantische Ebene war groß, aber sonst bot sie landschaftlich nichts und kulturell schon einmal gar nichts - auch zum Städtebau eignete sie sich eigentlich fast ebenso wenig wie zur Landwirtschaft. Und so lockte sie die Handvoll Pioniere, die das perspektivenlose und den verschiedenen Völkerun Zamoniens kaum Austausch gewährende Leben in den klimatisch-landschaftlichen Extremzonen (Zamonien hat ja fast nur solche) aufgaben, um in unbesiedeltem Land einen Neuanfang zu machen, in das einzige, was dort überhaupt vorhanden war: In die umfangreichen, komplex vernetzten, labyrinthischen Katakomben, die vom Turmbau zur Atlantis übrig geblieben waren. Es gab sie tatsächlich.

Auch ich gehörte in meinem jugendlichen Leichtsinn zu den tollkühnen Wagehälsen, die auszogen, sich das (bislang, wenn überhaupt, dann zu Unrecht) gelobte Land zu eigen zu machen. Ihr könnt euch denken, Kinners, dass das Leben unter der Erde nicht eben ein Zuckerschlecken war. Wenn man mich fragt, was uns dazu brachte, unser Dasein dort unten in den kühlen, feuchten, von Fackeln spärlich beleuchteten Kellergewölben zu fristen, anstatt uns in das von Normen und Fesseln durchwirkte zamonische Alltagsleben einzufügen und ein einigermaßen bequemes Leben zu führen, welcher flammende Geist, welche feurigen Ideale, welche sprühende Überzeugung uns veranlasste, mit allem erdenklichen Mangel an Komfort zu leben, uns ausschließlich von wenig schmakchaften, selbstgezüchteten Finsterbergalgenkolonien zu ernähren, das einzig Nahrhafte, das dort unten gedeiht, und auf jedwedes Leben spendende Tageslicht zu verzichten, so antworte ich: Geldgier!

Nichts anderes als die Sucht nach Materiellem und die Hoffnung auf schnellen Reichtum veranlasste uns zu einer derart asketischen Lebensweise. Es war nämlich so, dass die vereinigten Völker unter Königin Diameter doch mehr hinterlassen hatten als nur eine gewaltige Masse unbequemer Katakomben. In denen fand sich von Zeit zu Zeit auch eine goldene Statue, hie und da eine Ansammlung kostbarer Edelsteine - weiter Juwelen, Perlen, Schmuck, Zierat, Schütze, Glanz und Glamour, Relikte urzamonischen Kunsthandwerks von unschätzbarem Wert, der Reichtum verflossener Jahrhunderte, verteilt über verworrene Gänge und verborgene Kammern ein gewaltiges Vermögen - ein großer Kuchen, von dem sich jeder so viel als möglich abuschneiden suchte.

Es gab kein Halten mehr. Raffen hieß es, erbarmlungslos, so viel wie möglich und so schnell wie möglich, und dann noch mehr, und noch schneller. So weit also war es her mit den höheren Idealen der Pioniergeneration meiner Zeit, und ich, wie ich auf das Schamvollste eingestehen muss, mitten drin in der johlenden, gierigen Meute, auch ich mit dem festen und einzigen Vorstatz, mich ohne Pardon massiv zu bereichern. Um bei der wenig zivilisierten Schatzsuche nicht auf die verworrenen Katakombengänge der einstigen Turmbauer angewiesen zu sein, in denen man sich ständig nur verlief, wurde das architektonische Kulturerbe kreuz und quer mit einem dichten Netz von immerin sachkundig angelegten Bergwerksstollen durchzogen, durch die fortan die Loren ratterten, mehr oder weniger beladen mit Gold und Geschmeide, und in denen Daseinsformen aller Herren Länder, den Umständen entsprechend zum Glück noch recht friedlich im Umgang miteinander, einem schmutzigen, staubigen, schweißtreibenden Bergmansstagewerk nachgingen, nur dass eben nicht nach Rohstoffen, sondern nach fertigen Ballungen antiker Kostbarkeiten gesucht wurde. Glück und reiche Funde wurden dem einen dabei mehr zuteil, dem anderen weniger - mir eher weniger. Während andere schon kiloweise Goldschätze in ihre Verstecke karrten, allen voran der Blutschink Quarjatan Quapp, bei dem Glück und Verstand im antiproportionalen Verhältnis standen, hatte ich erst drei magere Kupfermünzen aufgetan, und die hatte ich, wenn ich ehrlich bin, auch nur heimlich aufgelesen, nachdem sie von Quarjatans Lore unbemerkt heruntergefallen waren.

Vielleicht war das auch ein Grund, der dazu beitrug, dass mir von all den Pionieren die Lust am Jagen nach Reichtümer am schnellsten von allen verging. Der Hauptgrund war aber mit Sicherheit, dass ich einen kennenlertne, der ganz anders war. Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabusterstein hieß er, der verrückte Gimpel. Er interessierte sich nicht für die prunkvollen Schätze, vielmehr war es für ihn das Höchste, die labyrinthisch verschlungenen Katakombengänge, die von dem erfolglosen Turmbau zu Atlantis zeugten, zu durchirren, zu erforschen, zu kartografieren - sein Ehrgeiz war es, ein Karte des ganzen Systems anzufertigen. Daran arbeitete er. Ich lernte ihn kennen und seine Arbeit bewundern, verlegte mich immer mehr von der Schatzsuche auf die Kartografie, wurde quasi sein Assistent, denn auch mich faszinierten die Katakomben. Alle Gänge, Abzweigungnen und Gewölbekammern wurden systematisch untersucht, vermessen und engetragen, zu zweit kamen wir recht schnell voran. Nach Feierabend versuchten wir uns zunächst mit einigen Partien Schach zu entspannen, mussten aber feststellen, dass es mit meiner Begabung für dieses Spiel lange nicht so weit her war, wie man uns Wolpertingern immer nachsagt, und auf Atlantopoly umstiegen, ein Vergnügen für lange Abende, bei dem ungehemmt mit Spielgeld hantiert werden durfte und es galt, sich auf der Basis möglichst vieler und möglichst gewinnbringender Straßen, Häuser, Hotels, Bahnhöfe und städtischer Versorgungswerke eine einträgliche Existenzgrundlage aufzubauen, die einen selbst in den siebten Finanzhimmel und den Gegenspieler in den Ruin trieb.

Hier legte auch Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabusterstein eine erstaunliche Raffgier an den Tag, nicht weiter beunruhigend, war doch unser finanzielles Schicksal hier ein gedachtes und nicht von Fund-, sondern von Würfelglück und kapitalistischem Geschick abhängig. Solche Spielabende wurden in unserem Fall auch stets von hohem Gimpkonsum begleitet (Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabusterstein hatte einige Vorräte aus seiner Heimat mitgebracht), infolgedessen auch von hochgradiger Albernheit und dem Abschluss blödsinniger Wetten. Beide kamen wir nicht mehr heraus aus dem Prahlen über unsere Fähigkeiten, ein Stück Kohle in der hohlen Hand zu einem Diamanten quetschen, Stroh zu Gold spinen, Mücken zu dressieren oder Milch stricken zu können, und verwetteten darauf Geld, Ruf, Seelenheil, vor allem aber unsinnigen Kram, den man sowieso loswerden wollte - denn dass niemals jemand eine dieser nicht minder unsinnigen Wetten gewann, versteht sich wohl von selbst. Jedoch...

"Höre, Puzzler!", sagte Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabusterstein eines Abends zu mir und hielt mir die soeben von ihm erworbene Atlantopoly-Besitzrechtskarte für die mit 8000 Spiel-Pyras teuerste Straße des Spiels unter die Nase. "Ich wette, du würdest es niemals schaffen", verstieg er sich "die hier innerhalb von 24 Stunden originalgetreu nachzubauen." Ihr müsst wissen, Kinners, Atlantopoly ist ein sehr kostbares und reich illustriertes Spiel. Auf der Karte, die vor meiner Nase tanzte, war nämliche Prunkstraße, so wie sie der Fantasie der Spielemacher entsprungen war, in einer liebevollen Zeichnung abgebildet: Meilenlang, so breit, dass selbst ein Bollogg mehr oder weniger bequem darauf hätte flanieren könnnen, mit Hausnummern im fünfstelligen Bereich, deren Träger bunt gemischte Gebäude unterschiedlichster Größen, Schönheitsquotienten, Baustile und Zwecke waren, aber aus aus kostbarstem Marmor. Dazu kamen zahllose Obelisken, Minarette, Zierbauten, Statuen (vorwiegend von Menschen, Tieren und Nattifftoffen, die machen sich in Marmor gemeißelt am besten) in einer geschmackvollen Gesamtkomposition - ihr kennt sie, Kinners, die ILSTATNA, heute pulsierende Hauptschalgader von Atlantis, damals nur Fantasiestraße im Spiel Atlantopoly (dessen Verleger übrigens bis heute vor dem Obersten Atlantischen Gerichtshof gegen mich wegen Diebstahls geistigen Eigentums klagt), und über Tage, wo sie heute verläuft, befand sich nur eine massive Schicht soliden Marmorgesteins.

Das sollte sich nun, durch diese geschundenen Pfoten, die ihr vor euch seht, ändern. Es war nicht wie bei den anderen Wetten, an die man gar nicht erst ernsthaft heranging, weil sowieso keine Aussicht bestand, irgendwelche nennenswerten Erfolge zu erzielen - nein, um möglich oder unmöglich ging es jetzt gar nicht. Ich MUSSTE es einfach schaffen, denn diesmal ging es wirklich fast um Leben oder Tod, um Sein oder Nichzein, denn im Rausche meines übermäßigen Gimpkonsums hatte ich mich dazu hinreißen lassen, meinen Willi-das-Wollhuhn-Schlüsselanhänger gegen Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabustersteins Stimmungsring, Gewinnnummer 743 bei der Kornheimer Weihnachtstombola vom letzten Jahr, zu wetten.

In der festen Entschlossenheit, ersteren zu behalten und letzteren abzugreifen, vor allem aber unter dem Einfluss jener Substanz, die Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabustersteins Landleute dazu befähigt, sich bei mörderischen Temperaturen von theoretischen 60°C im nirgends vorhandenen Schatten die steilen Dünen der Süßen Wüste hochzukämpfen, machte ich mich daran, die kahle Gesteinslandschaft, die das trostlose, aber goldreiche Schatzbergwerk überdeckte, in den wohl größten Prunkboulevard der Erdgeschichte zu verwandeln. Ich begann in der Mitte, mit vier gewaltigen schwarzen Löwen, die noch heute eins der populärsten Wahrzeichen von Atlantis sind und auch von Kunstexperten jedweder Art und Gesinnung aufgrund ihrer außergewöhnlichen Formentreue und ihrer glatten Meißelung bewundert werden. Dazu kann ich, aufgepasst jetzt, folgendes sagen: Ich verwendete nicht etwa Meißel oder ähnliche primitive Hauwerkzeuge, nicht einmal Schmirgelpapier ließ ich an den edlen Marmor heran - ich verwendete ausschließlich Papiertaschentücher, jawohl, Pa-pier-ta-schen-tü-cher! Ihr könnt jetzt noch so staunen, Glubschaugen machen und die Mäuler aufreißen, Kinners, ihr werdet niemals auch nur anstzweise eine Vorstellung davon haben, was es heißt, Skulpturen solchen Ausmaßes (immerhin vier mal gut hundert Meter) mit keinem weiteren Hilfsmittel als rauen Mengen gewöhnlicher Wischlappen aus Papier (ich hatte noch einige Jahrespackungen vorrätig, weil Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabusterstein es nicht geschafft hatte den Geist seiner Taschenuhr zu beschwören) aus hartem Marmorgestein herauszupolieren, geschweige denn, das gebührende Maß an Bewunderung dafür aufzubringen. Also kriegt euch gefälligst wieder ein und lauscht weiter.

Dass ich das knappe Zeitbudget bei dieser Methode nicht ganz einhalten konnte, versteht sich von selbst. Ehrlich gesagt, allein für die Statuen brauchte ich fast schon 25 Stunden, in denen ich weder schlief noch irgendetwas zu mir nahm außer Gimp. Den Rest der ILSTATNA, die ich mir ja eigentlich ganz vorgenommen hatte, konnte ich nicht mehr beginnen, weil schon jetzt im Umkreis von Lichtjahren kein einziges Papiertaschentuch mehr aufzutreiben war. Ich konnte nicht mal mehr daran denken, denn die Wirkung des Gimp begann nachzulassen, und ich erkannte, auf was für einen völlig wahnsinnigen Wahnsinn ich mich da eingelassen hatte. Völlig am Ende aller körperlichen und geistigen Kräfte fiel ich ins Koma.

Jahrhunderte später erwachte ich wieder. Ich erwachte nicht etwa da, wo ich es erwartet hätte, zum Beispiel in einer Marmorwüste, über der einsame vier Löwen thronten. Nein, ich erwachte in einer gigantischen, beängstigenden, wunderschönen und unbegreiflichen Stadt mit einer so massiven Ballung von Daseinsvielfalt und Kultur, dass mir fast gleich wieder die Sinne geschwunden wären, hätte ich innerhalb der ganzen lärmenden, chaotischen, faszinierenden Fremde nicht vier vertraute Gestalten entdeckt: Die vier Löwen, die nunmehr eine Straßenkreuzung der echten, pulsierenden ILSTATNA bewachten und die sie umgebenden Bauten teilweise nur noch unwesentlich überragten. Meine Kinnlade fiel tief.

"Ga, sind Sie Puzzler van Soviseau?", quatschte mich eine Stimme von der Seite an. Nun, ich war es. Angesprochen hatte mich ein Notar zwergenhaften Wuchses, dessen Familie seit Generationen vom Vater auf den Sohn (es mögen auch einige Mütter und Töchter dazwischen gewesen sein) den Auftrag weiterreichte, meinen Tiefschlaf zu überwachen und mich im Falle des Aufwachens unverzüglich in die Präsidentensuite des nordwestlichen Marmorlöwen zu führen, der zu meinem maßlosen Erstaunen viertausend komfortable Wohnungen enthielt. In die teuerste dieser Wohnungen brachte mich also der im übrigen ziemlich geschmacklos gekleidete Notar, der auch entschieden zu oft "ga" sagte, sich als Chemluth Havanna vorgestellt hatte und augenscheinlich ein Regendwaldzwerg war, genauer, ein Tabakhütchen. Ich fand niemanden vor, auf einem Tisch der geschmackvoll eingerichteten Suite lag jedoch ein gewisser Stimmungsring neben einem vergilbten Zettel. Ich faltete ihn auf und las:

"Lieber Puzzler, es sieht leider gar nicht so aus, als wolltest du in absehbarer Zeit aufwachen, und da ich auf meine alten Tage mein Ende nahen fühle, hinterlasse ich dir nunmehr schriftlich alles, was du wissen musst. Zuallererst: Der Stimmungsring. Er gebührt dir. Meine taumelnde Hochachtung vor deinem Werk, den vier Löwen! Um den Rest der Straße haben sich, wie du siehst, schon andere gekümmert. Das Leben unter Tage scheint vorerst vorbei - die meisten Schätze haben unsere Kollegen wahrscheinlich gefunden; nun suchten sie natürlich nach Möglichkeiten, den Reichtum auch auszugeben. Sie schmolzen also die ganzen Schätze mit wenig Respekt vor dem uratlantischen Kulturerbe zu kleinen, kupfernen, silbernen oder goldenen Zahlungsmitteln um, den Pyras, begannen sich wieder am Tageslicht anzusiedeln, wohnen jetzt hier, eröffnen Geschäfte, haben sogar eine Stadt gegründet und meine Wenigkeit zu ihrem Bürgermeister gewählt, weil ihnen meine Idee, die Stadt nach unserem Lieblingsspiel "Atlantis" zu nennen, so gut gefallen hatte. Deine Löwen waren ihnen, glaube ich, für die Stadtgründung ein guter Anreiz - nicht nur als Wahrzeichen, sondern auch als komfortable Heimstatt, etwas, das sie in den Katakomben und Bergwerksstollen jahrelang vermisst hatten. Ich habe die Löwen nämlich, einfach mal vorausgesetzt, es sei in deinem Sinne, von innen als Wohnhäuser mit fließend warmem Wasser, Fahrstuhl und nur von innen zu durchsehenden Fenstern ausbauen lassen. Denn Wohnungen sind jetzt heiß begehrt in unserer jungen Stadt Atlantis. Für die Mieteinnahmen habe ich dir ein Konto bei der Atlantis Bank eingerichtet, damit du auch etwas von deinen Skulpturen hast. - Meine Karte von den Katakomben ist leider nicht mehr fertig geworden. Ich traue mich auch nicht mehr hinunter, weil es dort jetzt irgendwie zu spuken scheint, seit die Schatzsucher weg sind. Ich WETTE, auch du würdest dich nicht weit in die Katakomben hineinwagen. Die Bergwerksstollen hingegen dienen jetzt dem öffentlichen Personennahverkehr. - So weit, so gut, Atlantis fängt an, zu blühen und zu gedeihen - es könnte was draus werden. Sephluth Havanna, einen jungen, sehr vertrauenswürdigen Notar, habe ich beauftragt, dich eines fernen Tages, wenn du aus deinem Dornröschenschlaf erwachst, zu informieren und alles zu regeln. Mach's gut, mein Freund, und denke immer daran: Ehre das Gimp! Dein Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabusterstein."

Dieser Brief hatte Generationen überdauert. Chemluth Havanna, der neben mir stand, war der Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-urenkel des ursprünglich beauftragten Notars. Atlantis war von der Goldgräberkleinstadt zur rauschenden Metropole herangewachsen, in die aus allen Regionen Zamoniens, aus allen Kontinenten des Erdballs Daseinsformen aller Arten und Gesinnungen strömten, und deren populärsten Wahrzeichen eines immer noch die vier Löwen waren, die ich, den ihr mich hier vor euch seht, mit meiner Pfoten Arbeit erschaffen habe. Ich hatte sehr lange gebraucht, mich im Schlafe von dieser Strapaze zu erholen. Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabusterstein aber musste seit Jahrhunderten tot sein.

Ich war zutiefst gerührt. Auf das Aufoperungsvollste hatte er sich um meine ungewisse Zukunft bemüht, meine "Strohleiche" an einem sicheren Ort untergebracht und für mich in das Immobiliengeschäft investiert, sodass ich mir finaziell erst mal keine Sorgen machen müssen würde - und ich würde ihm seine Mühen niemals danken können. Chemluth Havanna informierte mich noch, ga, dass die bewohnbaren Löwen zunächst ein Bombengeschäft gewesen seien, jetzt jedoch leerstünden, weil inzwischen keiner mehr glaube, dass diese Statuen tatsächlich bewohnbar seinen und die Wahrheit um die ungewöhnlichen Immobilien für einen billigen Touristenfängertrick gehalten werde, bestenfalls für eine Stadtlegende. Er erbot sich, seinen Charme und seine Geschäftstüchtigkeit spielen zu lassen, um die atlantische Bevölkerung wieder vom Gegenteil zu überzeugen und - gegen saftige Prämien, versteht sich - Mieter zu werben. Ich aber schenkte ihm die Löwen, hob meine Pyras ab (in der Tat ein hübsches Sümmchen) und kehrte dem bunten Treiben von Atlantis den Rücken, um in die von den Schatzsuchern verlassenen Katakomben zurückzukehren. Hier war meine wahre Heimat. Außerdem hatte ich eine Wette zu gewinnen und eine Karte zu vollenden, an die sich vermutlich nicht einmal der Planmacher im Großen Kopf herangetraut hätte.

Wie nun Quasimir Triameter Briefmark Schalomschalabimbambasbalaschamschalamtammtam Knäckehard der Sechstausendelfhundertdreiundachtzigste & drei mal die Null KaspHarr Universalkrempempel von und zu Klabusterstein - Gimp seinem Angedenken! - als erster Bürgermeister von Atlantis und seine zahllosen Amtsnachfolger es geschafft hatten, aus vier Marmorlöwen und einer Art Goldgräbernest eine blühende Metropole zu machen, wie Atlantis zum Nabel der Welt werden konnte und warum sich alle denkbaren und anderen Daseinsformen dieser Welt ausgerechnet dorthin strömten, das interessierte mich im Moment nicht weiter, und es ist auch eine andere Geschichte - die Geschichte von der Erbauung und Besiedlung von Atlantis. Und die steht auf einem anderen Blatt.

 

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