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22. Hat das Zamomin eine Seele? (Begründung)
Zamonische Philosophie / April 2001 /
Ob das Zamomin eine Seele hat, ist wirklich wesentlich leichter gefragt als beantwortet. Denkt man sich in das Zamomin selbst hinein, muss man erst einmal feststellen: Alles ist zunächst einmal auf das Denken beschränkt: Keine Sinneseindrücke, keinerlei Handlungsfähigkeit, nur die Fähigkeit zu höchsten kognitiven Leistungen ist da und allgegenwärtig. Nicht einmal sterben oder sich selbst vernichten kann das Zamomin, womit die Bedauernswertigkeit seiner Existenz endgültig besiegelt wäre. Ein solches Dasein musste das Element zwangsläufig in den Wahnsinn treiben, und so geschah es. Sein Unwillen zur Anpassung und Gutmütigkeit ist keineswegs auf den kleinen Rezepturfehler von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller zurückzuführen, der ihm beim Erschaffen des Denksteins unterlief, sondern eben auf die Krise, die das Beschränktsein auf seine eigenen Gedanken unweigerlich mit sich bringt. Und wie es so oft im Leben ist, erfüllte auch hier der Wahnsinn und die Bosheit, der das Zamomin verfiel, seine Funktion als Schlüssel zu neuen Möglichkeiten, als Umstoßen von Mauern, als Pfad zu einer anderen Ebene des Daseins: Das Zamomin erlangte plötzlich die Fähigkeit, telepathisch mit anderen Daseinsformen in der näheren Umgebung zu kommunizieren, ihre Sinneseindrücke und Gedanken zu teilen und sie nach Gutdünken zu befehligen.
Das war nun schon einmal eine ganz solide Existenzgrundlage, allerdings eine, die für den weiteren Verlauf der Existenz des Zamomins eigentlich nur extreme Möglichkeiten zuließ - Möglichkeiten von universaler Bedeutung: Die Welt musste vernichtet werden - oder erobert. Sinnvoller und logischer wäre die erstere Möglichkeit gewesen, aber da der Wahnsinn bereits vom Zamomin Besitz ergriffen hatte - nein, vielmehr, weil das Zamomin bereits vom Wahnsinn Besitz ergriffen hatte - entschied es sich für die letztere Möglichkeit und begann seine Karriere als unbarmherziger, interkontinentaler Feldherr an Bord des Monsterschiffes Moloch.
Die Welt zu erobern, hatten zu diesem Zeitpunkt schon viele versucht, aber alle waren sie gescheitert - zu ihrem Glück, kann man wohl sagen, denn der Weg zur Eroberung mag zwar Spaß machen, aber was sollte man schon mit einer eroberten Welt anfangen? Auch beim Zamomin kam es erst gar nicht so weit. Bei der spektakulären Molochschlacht, mittlerweile eine feste Größe der zamonischen Geschichte, die zeitgleich und teilweise in kausalen Zusammenhängen mit Ereignissen wie der Buntbärenbefreiung, dem Aufstieg von Atlantis, dem Untergang der Moloch und dem Beginn des Zeitalters der Nachtustrialisierung (erste erfolgreiche Zähmung einer Finsterwolke durch Prof. Dr. Abdul Nachtigaller) sta(ttfa)nd, wurde das Zamomin einer Finsterwolke mit einer Kerndunkelheit von unvorstellbaren 89 688 999 453 345 784 002,347 Nachtigall anvertraut und angeblich vernichtet - eine Version, die die Fachwelt, insbesondere die eydeetische, die Elite der Philophysiker, dem Augenzeugen und Hauptverantwortlichen Nachtigaller nie wirklich abnahm. Schließlich bestand das Zamomin sozusagen nur aus purer Intelligenz und Wissen, und da Wissen Nacht ist, wäre die unfassbare Dunkelheit einer Finsterwolke das Letzte, das dem Zamomin etwas anhaben könnte. In der Tat führte Nachtigallers Weigerung, an der Vernichtung des Zamomins zu zweifeln und in dieser Sache gemäß den philophysikalischen Grundsätzen zu denken, deren heftigsten Verfechter er einer war, zu Nachtigallers Ausschluss aus dem Rat der Philophysiker und zur Ächtung durch das Zamonische Eydeetenkonzil.
Indes Nachtigaller aus Trotz seine Solokarriere mit aller Gewalt vorantrieb und seine bescheidene, überschaubare Nachtschule in den Finsterbergen, in der bisher nie mehr als drei oder vier Schüler gleichzeitig ausgebildet worden, mit Unterstützung eurasicher Institutionen zu einem riesigen akademischen Apparat mit einem Schülerfassungsvermögen im vierstelligen Bereich umwandelte, hatte die Finsterwolke, die das Zamomin hätte erledigen sollen, für dieses die Funktion der Moloch übernommen, nur um Klassen besser und praktischer: Aufgrund des Fehlens jeglicher mechanischer und biologischer Teile war sie viel leichter in Stand zu halten und zu befehligen, sie nährte Intelligenz und Wahnsinn, bildete quasi eine kognitive Einheit mit dem Denkstein und war so energiereich, dass sie immer und überall Dimensionslöcher erzeugen konnte. So hätte das Zamomin fast spielend zum Beherrscher aller Zeiten, Welten, Orte, Universen und Dimensionen werden können, aber nicht einmal hier blieb es konsequent - das Element kehrte nach einiger Zeit ohne ersichtlichen Grund und verhältnismäßig unverrichteter Dinge wieder nach Zamonien zurück. Und nicht nur das, es ließ sich bald sogar herab, eine Folge der Quizshow "Wer wird Nachtillionär?" für gemeine Sterbliche zu moderieren, für die ein findiger Wolpertinger es verpflichtet hatte.
Welchem Ideal das Zamomin also auch immer folgt - es ist nicht die Logik und Konsequenz einer seelenlosen Denkmaschine. Seine größenwahnsinnigen und teilweise recht unvorsichtigen Äußerungen, seine abnorme Vorliebe für Frage-Antwort-Spielchen und aufwändig zelebrierte Hinrichtungsrituale sowie seine Unstetigkeit im Verfolgen hochgesteckter Ziele wie der Weltherrschaft sprechen für sich: Was sollte das sein außer einer Seele? Ein Irrlicht etwa? Ein überhitztes Zahnrad? Ein kurzgeschlossenes Synapsenbündel? Nun gut, das kann natürlich auch sein.
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