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20. Nennen Sie die drei wichtigsten Philosophen Zamoniens und ihre wichtigsten Erkenntnisse.

Zamonische Philosophie / August 2001 /

"Is' doch alles wurstpiepeg..." lautete die Zentralthese im Werk von Frans-Magnum Edelstaler, einem Wolterken und wohl bekanntesten Philosophen der Nachrempeleienzeit. Edelstaler hatte sich sein ganzes Leben lang in eifrigem Studium mit nahezu allen Philosophen, Philosophien, Religionen und existenzialistisch gefärbten Mythen vergangener Ären und Dynastien beschäftigt, offenbar auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Den fand es nicht. Frustriert erarbeitete Edelstaler daraufhin seine eigene Weltanschauung, die es in dem eben erwähnten Lehrsatz gipfeln ließ und kurz vor seinem Freitod im Alter von 77 Jahren bei einer Podiumsdiskussion in Gralsund wie folgt erläuterte:

"Wozu leben wir eigentlich? Um der Gesellschaft zu dienen? Um unseren Göttern zu gefallen? Um Spaß zu haben? Um uns selbst zu verwirklichen? Wozu? Um ein glückliches und erfülltes Leben zu leben? Wozu? Um durch ein glückliches und erfülltes Leben zu einer besseren Erde beizutragen? Zur Weiterentwicklung der Kulturen Zum Blühen und Gedeihen des Kosmos? Und was bringt's, wenn der Kosmos blüht und gedeiht? Und was brächte es, wenn es was brächte? Und wenn schon. Wurstpiepegal."

"Andererseits, man muss ja nicht unbedingt krampfhaft nach einem Sinn...", hub es mit leuchtenden Augen wieder an, stürzte sich dann unvermittelt von dem meterhohen Podium, war auf der Stelle tot und schrieb Philosophiegeschichte.

Viel früher, viel länger und viel erfüllter lebte dagegen Kollege Theogenes, seines Zeichens ein Nattifftoffe und antiker Forscher und Gelehrter, der sich nach seiner Midlife-Crisis im Jahre 232 vor Meniskus dem asketischen Prophetenleben zuwandte. Vorausgegangen war diesem Entschluss die Erkenntnis, dass der Schachtdurchmesser des Maulwurfsvulkans von Unbiskant auf das Mikromü genau der Breite von Theogenes' Wohnzimmersofa entsprach, wie der Gelehrte bei einer Forschungsreise kurz nach dem Umräumen seiner Privatwohnung feststellte. Diese Übereinstimmung frappierte Theogenes so sehr, dass er sofort an ein göttliches Zeichen glaubte und das Eremitenleben erwählte, was für ihn hieß, auf halber Höhe des Vulkanschachtes auf seinem zwischen den Schachtwänden eingeklemmten Sofa zu sitzen, eine nach der anderen zu kiffen und in diesem erweiterten Bewusstseinszustand munter vor sich hin zu orakeln (Orakel von Unbiskant).

Obwohl es nunmehr etwas schwierig war, zu Theogenes zu gelangen, wurde es bei der Bevölkerung sehr beliebt, den Philosophen in seinem Vulkanschacht aufzusuchen, um sich Ratschläge gegen allerlei politische, militärische, berufliche, medizinische oder persönliche Sorgen und Nöte zu besorgen. Theogenes, seine göttliche Einstrahlung und seine Hanfvorräte brachten Empfehlungen hervor wie gläserne Berge zu bauen, Salzstangen anzupflanzen oder in Quittensaft zu baden, und wer solcherlei Anweisungen getreulich befolgte, konnte eigentlich nicht viel falsch machen. Bezahlt wurden die Orakeldienste praktischerweise in Gras und Lebensmitteln, da Theogenes seinen Platz im Maulwurfsvulkan nur alle sieben Jahre einmal zwecks Besuchs eines Möbelgeschäftes verließ. Sein Motto: "Jeder Gegenstand schliet die Existenz jedes anderen in sich, solange man ihn nur mit der gebührenden Breite betrachtet."

Weit entfernt von dieser Vulkanschacht-Askese war Willkürya Odenweber (Künstlername), eine erst unlängst verstorbene Philosophin, ein Kind reicher fhernhachischer Eltern, von Kindesbeinen an liebevoll umsorgt, ja verwöhnt, aber nicht verzogen, von Natur aus liebenswürdig, freundlich, brav, artig, eine höhere Tochter natürlich, die denn auch in der renommierten Gralsunder Universität studierte, Yhôllistik fürs Berufsleben und Kunstgeschichte, damit sie damit nicht ihre Lebensmitte würde vergeuden müssen.

Leider vergaßen die besorgten Eltern den zweifelhaften Ruf der Gralsunder Boheme, an die die brave Willkürya denn auch prompt geriet. In einer zwielichtigen Studentensitzung, die sich wohl im Wesentlichen um eine hexenhutpilzextraktgefüllte Wasserpfeife drehte, lernte das brave, adrette Mädchen nicht nur Hildegunst von Mythenmetz kennen, mit dem sie in späteren Jahren noch eifrig zusammenarbeiten würde, sondern verwandelte sich auch von heute auf morgen in einen einzigen Skandal. Fortan lief sie nur noch mit wenigen, aber sehr bunten Haaren herum, trug Kluften, die dem Aussehen nach schon mehrere hundert Straßenschlachten mitgemacht hatten und auch noch mehrere hundert Straßenschlachten mitmachen würden, und ließ sich das gesamte Gesicht zutätowieren. Die okkulten Symbole und Schmuckstücke, mit denen Willkürya sich behängte, kaufte sie zum Kilopreis ein. Bekannt wurde sie - diesem Outfit eher entsprechend - zuerst nicht als Philosophin, sondern als Aktionskünstlerin. Nach dem Tod ihrer Eltern durch Herzinfarkt lief sie zunächst mehrere Male brennend durch das Tourismusgebiet des Großen Waldes, sie jagte das Quietschen von Kreide auf einer Wandtafel öffentlich durch eine 100.000-Watt-Verstärkeranlage und ließ sich in einer Atlantischen Szenekneipe die Fußnägel ausreißen. In einem Interview behauptete sie einmal, der große Theogenes sei ihr erschienen und habe so etwas gemurmelt wie "Mädchen, hör bloß nicht auf mich...", was nicht nur eine sinnlose Empfehlung war wie üblich, nein, Willkürya konnte sie weder befolgen noch nicht befolgen, weil sie ja, um ihr nachzukommen, sie in den Wind schlagen müsste und umgekehrt. Dieser Zwiespalt, so Odenweber, habe sie endgültig durchdrehen lassen und die goldene Straße ihrer Karriere geebnet.

Man glaube es oder nicht, jedenfalls wurde sie immer mutiger. Sie jagte Passanten in der Fußgängerzone mit einem Bulldozer, beleidigte öffentlich sämtliche bekannten Gottheiten des zamonischen Kulturkreises inklusive des Leibhaftigen, erschien als der Letztere verkleidet, schwenkte ein Weihrauchgefäß voller Windpocken durch die Gassen, spazierte mit nichts als einer dicken Honigschicht bekleidet durch Honing, setzte einmal sogar ganz Atlantis unter Waldspinnenhexensekret. Das alles lief unter Künstlerische Freiheit, niemand wäre auf die Idee gekommen, ihr diese zu beschneiden, selbst als Willkürya hinging und mitten auf der Ilstatna eine Atombombe zündete, ließ man die Künstlerin gewähren.

"Interessant", murmelten rußgeschwärzte, verstümmelte, von radioaktiver Strahlung zerfressene Feuilletonisten. "Die Künstlerin verwendet drastische, gesellschaftsschädigende Maßnahmen symbolisch, um auf die undynamischen, festgefahrenen geistigen Maßstäbe hinzuweisen, mit denen Kunst im Allgemeinen stellvertretend für das, wofür sie steht, nämlich den gesamten Kosmos, vom spießbürgerlichen Tenor gemessen wird..."

So kam Willkürya Odenweber erst auf die Idee, ihren Taten auch einen tieferen Sinn zu verleihen, zu philosophieren, mal eben die Welt zu erklären. Parallel zu weiteren Aktionen, bei denen sie einer Voltigkorkischen Venissenviper eine Zahnspange anpasste, Dihydrogenmonoxid ins Trinkwasser schüttete und eine Wolke erfand, aus der es Beton regnete, verfasste sie eine Schrift mit einem Weltbild, das als Grundbegriffe und Basisgegensätze das Nichts und das Chaos einführte. Das Nichts sei der einerseits perfekte, andererseits aber wenig wünschenswerte Zustand, weil er so langweilig sei, dass noch nicht mal Platz für Langeweile sei. Nach dem Chaos dagegen solle man streben, und um es zu erlangen, müsse man sich vor allem von seinem gesunden Menschenverstand lösen, um "auf die nächste Ebene zu gelangen", wie Willkürya es ausdrückte.

Ihr selbst scheint dies gelungen zu sein - ihren Lebensabend verbrachte sie nämlich in der Kornheimer Klapsmühle (ja, das ist die offizielle Bezeichnung der Anstalt!), von der heute gemunkelt wird, das Personal sei auch nicht mehr ganz... also Sie wissen schon... kommt ja vor... dass die auch mal 'ne Schraube locker haben, sag ich mal so... und jedenfalls, also, es heißt, die wären nur noch drauf aus, Verrückte zu produzieren, Wahnsinn zu züchten.

Willkürya Odenweber fühlte sich jedenfalls sehr wohl in der Anstalt, bekam oft Besuch von ihrem alten Studienfreund Hildegunst von Mythenmetz, mit dem sie bis zu ihrem Tode vor 23 Jahren in kongenialer Arbeit mehrere bislang unveröffentlichte Pamphlete und Romane geschrieben hat - der durch den blockierenden Schleier des gesunden Menschenverstandes erfassbare Sinngehalt bleibt abzuwarten. Eine Fortsetzung des Blutigen Buches soll unter den Werken sein, aber nichts genaues weiß man nicht - glücklicherweise, sollte man vielleicht sagen, denn, wie schon Mythenmetz selbst schrieb: "Es gibt Dinge, ohne deren Kenntnis man ein unbekümmerteres Dasein fristet."

 

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