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14. Wie entstanden die kreisrunden Seen des Landes Vielwasser?

Zamonistik / Mai 2001 /

Durch kommerzielles Interesse. Die kreisrunden Seen sind Teil eines Tourismusprojekts, das seit etwa 20 zamonischen Jahren die Staatskassen der Provinz Vielwasser füllt. Wer meint, diese sei nach ihren ausgesprochen zahlreichen Seen benannt worden, verwechselt da übrigens Ursache und Wirkung - aber der Reihe nach: Bis vor kurzer Zeit hatte die Gegend im Nordosten Zamoniens noch nicht viel zu bieten, abgesehen von einem ausgeprägten Nationalbewusstsein, Nationaltrachten, Nationalgerichten, Folklore und zelebriertem Regionalpatriotismus, der seine Existenzberechtigung ausschließlich aus seinem Vorhandensein bezog: Vielwasser war damals nichts als plattes Land, seine Bewohner ein Volk von Dnürfen, zwergenhaften, plumpen Daseinsformen ohne besondere Vorzüge oder gar ruhmreiche Historie, aber eben mit einem nicht zu knapp bemessenen Vorrat an Nationalstolz. Eine Gegend also, die auf Touristen ungefähr so anziehend wirkt wie Frischer-Atem-Minzen auf Kleinolfaktillen. Dementsprechend schlecht war die wirtschaftliche Lage Vielwassers, und als die Armut gar zu arg wurde, besannen sich die Dnürfen auf die wenigen Trümpfe, die ihnen blieben: a) die Fähigkeit zum Gesinnungswandel in Notsituationen, b) eine markige Regionalbezeichnung und c) eine gewisse Nähe zum Schmelztiegel und Ballungspunkt Zamoniens, Atlantis. Alle drei nutzten sie, als sie bei dem bekannten nattifftoffischen Exzentriker, Visionär und Nachtillionär Andreij Plussombri anfragten, ob er sie wohl in ihrem Plan zur Errichtung eines Touristenmagnetes unterstützen würde... und er wagte den Sprung ins finanzielle Ungewisse. Gegen eine Beteiligung von 50 % verwandelte er die Einöde Vielwassers in eine Attraktion sonder gleichen. Bald war die Region Vielwasser, übrigens benannt nach dem Stammvater der Dnürfen, Henniman Vielwasser, der dort als erster (erfolglos) nach unterirdischen Goldvorkommen buddelte, nicht mehr wiederzuerkennen: Gigantische Bagger rissen halbkugelförmige Löcher in den Boden, was die Dnürfe zwar mit Schmerzen, aber doch in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft mitansahen. Wasser und entsprechende Fauna sowie Flora wurde hineingefüllt, die gesamte Region mit künstlichen Höhlen und Stollen durchzogen, die "Kalte Wand", die Vielwasser von Atlantis trennte, an mehreren Stellen durchbrochen. Touristen aus Atlantis konnten nun dem alltäglichen Stadtleben entfliehen, indem sie in das poröse unterirdische Erdreich Vielwassers hinunterstiegen, sich an zahlreichen Attraktionen, Cafés und Kunstausstellungen verlustierten und vor allem das eine Werk Plussombris bestaunten: Die Seen, die von oben gesehen wie blaue Pfannkuchen in verschiedenen Größen wirkten, setzten sich nach unten als Halbkugeln fort, deren Wände aus Plexiglas bestanden und die Seen somit in wahrhaft gigantische Aquarien verwandelten, die es ermöglichte, die atemberaubende Tier- und Pflanzenwelt des zamonischen Süß- und Salzwassers beinahe hautnah zu erleben, ohne gleich der unmittelbaren Gefahr durch fleischfressende Wasserpflanzen, Tyrannowalfische, Riesenkraken oder Bademeister ausgesetzt zu sein.

Man kann wirklich nur sagen: Diese Maßnahme, anspielend auf den althergebrachten Namen der Region, ist den Dnürfen gar grandios gelungen. Neben dem atemberaubenden Stadtleben Atlantis', dem Wintersportparadies auf der Tatzeninsel und der friedlichen Harmonie des Großen Waldes ist Vielwasser damit zum größten Touristenmagneten Zamoniens geworden. Wer einmal dort gewesen ist, wird noch tagelang wanken vor Begeisterung und lebenslänglich zum Schwärmen verdammt sein. Fast beiläufig investiert man da das Eintrittsgeld, die horrenden Gebühren für Kaffee und Kuchen sowie die Pyras, die einem gewitzte billige Jakobs im Gegenzug für solchen Basisbedarf wie einen Kaffewärmer, der auch noch "Jingle Bells" spielen kann, stets irgendwie zu entwenden wissen, und staunt und staunt ohn' Unterlass. Gelegentlich schaut man sich auch die Aufführungen wagemutiger Aktionskünstler an, die von oben in die künstlichen Seen eintauchen, um das Publikum dann unten, umgeben von Wasser, Fauna und Flora, zu amüsieren. Ganze Konzerte, Lügenduelle, Parteitage und Pantomime-Festivals haben bereits unter Wasser stattgefunden. Wem's Spaß macht...

Das Nationalbewusstsein der Dnürfe ist über all dies mittlerweile gänzlich entschwunden. An seine Stelle sind Wohlstand und Reiselust getreten, sodass das ehemals so abgekapselte und eigenbrötlerische Volk mittlerweile über ganz Zamonien und seine Grenzen hinaus verteilt ist. Was soll man sagen, das ist der Lauf der Dinge.

 

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